Zurück auf die Straße

Auf New Yorks Straßen entlädt sich schon seit einigen Wochen der Unmut der Massen. Zu Tausenden postuliert hier eine stets heterogene Gruppe von Menschen ihren Unmut über die Banken-Willkür. So weit ist dieses Phänomen nicht neu. Was den Protest in den USA jedoch genuin von den Willensbekundungen der Menschen in anderen Ländern unterscheidet, ist dessen stringente Vernetzung über die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Strukturen hinweg. Hier geht der Lehrer genau so auf die Straße, wie die enttäuschte Krankenschwester oder der arbeitslose Akademiker. Was sich on the road manifestiert, ist der Unmut der Mittelschicht, des Bürgertums und das ist stets etwas Besonderes.

Der Motor dieser Frustrations-Entladungen wird geschmiert von linken Idealen und entlarvt somit die Radikalität des Kapitalismus. Den Straßenkämpfern geht es um eine gerechtere Gesellschaftsordung, um die Veränderung des großen Ganzen und es scheint, als würde man gerade im Mutterland des Neoliberalismus erwachen, um erschreckt festzustellen: Wir haben verstanden. Umso hoffnungsvoller, wenn mediengerechte Charaktere zu einer Unterwanderung der konservativen Haushalte weichgespülter US-Vororte beitragen können. Naomi Klein, das Sprachrohr dieser Protestbewegung, ist so eine Figur: Attraktiv und intelligent wird sie von den Kameras geliebt und ist das Zentrum der sogenannten: „Occupy Wall Street“-Bewegung. In ihren kurzen aber mitreißenden Reden versteht sie es, den Nerv der Massen freizulegen und schonunglos ins Licht der Erkenntnis zu zerren.

In der Vergangenhheit hatte die 41-Jährige mit ihrem Buch „No Logo“ viel Erfolg und avancierte schnell zur Leitfigur der Anti-Globalisierungsbewegung. Die Besetzung des Parks im Süden von Manhatten mündete kurzehand in die Errichtung einer kompletten Zeltstadt, die von tausenden Menschen bevölkert wird – immer streng flankiert von Hundertschaften der Polizei, die jeden Regelverstoß der Demonstranten schonungslos mit voller Staatsmacht ahnden. Waren die Emanzipations-Tendenzen im Orient zumindest gefühlt weit weg, zeigen uns diese Menschen in den Straßen von New York, dass es auch in unserem westlichen Kulturkreis durchaus revolutionär zugehen kann.

Begonnen hat die Protest-Aktion übrigens am 17. September mit dem eher ironisch gemeinten Aufruf der kanadischen Zeitschrift „Adbusters“. Mittlerweile karren alle großen US-Gewerkschaften ihre Mitglieder in den Big Apple, das kraftvoll schlagende Herz der amerikanischen Finanzbranche. Bleibt zu hoffen, dass die Demonstranten durchhalten, denn der New Yorker-Winter hält bald Einzug – dann wird es verdammt kalt. Aber ich bin recht zuversichtlich. Schon Frank Sinatra sagte ja bekanntlich über die Stadt am Hudson River: „If you can make it there, I’ll make it anywhere.“

Autor: Andreas Altmeyer

Autor, Friedensaktivist

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