Aufbegehren 2.0: Wie Influencer endlich influencen

Ein Video bringt die Bundesvorsitzende der CDU zum Kochen, aber nicht zum Nachdenken. Schade.

von Andreas Altmeyer

Nein, man muss kein Fan von Rezo sein. Und ja: Wie hinter vielen großen Youtubern steckt auch hinter seinem Kanal eine PR-Crew, die Inhalte aussteuert und lenkt. In diesem Fall ist das die Ströer-Group, börsendotiert, international tätig, 1.582,5 Mio. Umsatz im Jahr 2018. Zum Markenportfolio gehört T-online genauso wie Statista und kino.de. Kurz: Stroer ist ein Big Player in der Online-Welt. Aber schmälert das in irgendeiner Form die Brisanz von Rezos Video? Nein, keineswegs! Denn auch wenn anno dazumal der Influencer Galileo Galilei von Rittersport höchstpersönlich gesponsert worden wäre: Der Wahrheitsgehalt seiner Kernaussage bliebe derselbe!

Obendrein ist anzumerken, dass alle großen privaten Medienkonzerne angefangen bei Pro Sieben bis hin zu Axel Springer letztlich nur ein Interesse haben: die Dividende. Auch die Öffentlich Rechtlichen handeln alles andere als frei, werden gesteuert von machtpolitischen Interessen und so fort. Wer also immer noch an das völlig losgelöste Agieren der Medien glaubt, der mag das auch weiter tun, mit der Realität hat dies aber wenig zu tun – sei es beim Mainstream oder eben bei Youtubern.

Nun mag man dem Video eine gewisse Einseitigkeit hinsichtlich des Climate Change vorwerfen. Nun gut. Aber zusammengefasst macht hier ein Influencer, und nicht etwa ein ausgebildeter Journalist, einen verdammt guten Job. Denn endlich wird das Medium Internet sinnvoll als schwungvoller Multiplikator gebraucht, als Sprachrohr einer Jugend, der bisher unterstellt worden ist, völlig entpolitisiert zu sein.

Überhaupt macht Rezo weit mehr, als die CDU zu zerstören, denn das schafft diese selbstgefällige Partei seit Jahren ganz alleine, wie die Wahlergebnisse zeigen. Er entlarvt, partiell zumindest, den Neoliberalismus und damit die CDU als einen seiner treusten Erfüllungsgehilfen. Das Ganze liefert er ab in einer Sprache, die die Jugend versteht und spricht, für alle, die eben noch keinen Chomsky, Ganser oder Lüders gelesen haben.

Das Versagen der riesigen CDU-PR-Maschinerie zeigt dabei zweierlei: Die wachsende Entrückung der Systemparteien vom „Volk“ (ich mag den Begriff eigentlich nicht) und gleichzeitig das Unvermögen, das eigene Handeln und Tun nur ansatzweise zu reflektieren. Da demontiert sich die Bundesvorsitzende in Sekundenschnelle auf Twitter, faselt von einer Zensur vor Wahlkämpfen und sorgt damit nicht nur für Fremdschäm-Alarm, sondern für eine entlarvende Hilflosigkeit, die die CDU bis ins Mark erschüttert. Da nutzt es auch nichts, dass ihr die devoten Systemmedien beispringen, allen voran DIE ZEIT, und den „kleinen“ Rezo von oben herab belehren und ‚dissen‘ wollen in ihrer gewohnt arroganten Art und Weise. Und das obwohl doch ihnen, im Gegensatz zu Rezo, die Abonnenten scharenweise davonlaufen.

Kurz: Allesamt, Systemmedien und Systemparteien, schauen sich deppert an angesichts des vom „seltsamen Internet“ verursachten Shitstorm-Tsunamis, ohne überhaupt daran zu denken, ans Land zu schwimmen.
Jetzt rächt sich die obsolete Denke, dass Influencer doch nur diese Hedonisten mit den tollen Urlaubsbildern seien. Ganz nett, aber auch völlig harmlos. Denkste! Geht auch anders! Die richtigen politischen Inhalte, richtig verpackt, können erschüttern, und haben das Potential, die Türen des Konrad-Adenauer-Hauses aus den Angeln zu heben. Vorbei die Zeiten, in denen gestellte Talkshow-Settings à la Anne Will als Inbegriff des politischen Diskurses verkauft wurden. Vorbei die Zeiten, in denen Politiker in Scheindebatten Scheingefechte ausfochten, ohne sich nur ansatzweise aus ihrer Komfort-Zone herauszubewegen.

Und das wurde auch höchste Zeit. Rezo ist dabei lediglich ein Kanal von vielen, dem Ströer mit ihrer Reichweite natürlich zugutekommt und ihn so ins Rampenlicht gespült hat. Doch an der investigativen Youtube-Front tut sich weitaus mehr, namentlich mit Portalen à la Nachdenkseiten, Rubikon, KenFM sowie Jung und Naiv. Sie leisten hervorragende Arbeit, klären auf und sind professionell. In nicht allen Punkten muss man ihrer Meinung sein, aber es ist gut, dass es sie gibt: Denn die autonome Willensbildung tut Not!

Fazit: Das Internet ist kein „Partykeller“ und nicht nur eine Plattform zum Verbreiten von Katzenbildern. Das sollte nun auch die CDU kapiert haben. Zugegeben: Es ist kein völlig freier Raum, in dem sich gute Inhalte „einfach so“ durchsetzen, denn dafür ist es zu monopolistisch strukturiert mit Konzernen wie Google, Amazon und Co an der Spitze. Aber es kann dabei helfen, wichtige Inhalte einer breiten Maße und vor allem einer jungen Zielgruppe zugänglich zu machen. Wenn das zum Ergebnis führt, den schnöden Parteienfilz zu entwirren, Bestehendes zu überdenken und neue Impulse für eine gerechtere Gesellschaft zu entwickeln, ist das ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Um es mit den Worten Rezos zu sagen: Ich feiere das Video hart!

Autor: Andreas Altmeyer

Autor, Friedensaktivist