Corona-Lockdown: Wenn ein Geschmäckle bleibt

Immer dann, wenn Medien und Politik unisono in hemdsärmeligen Aktionismus verfallen, sollten wir genau hinsehen, gerade dann, wenn Krisen zu populistischen Narrativen erhoben werden und das Zeug dazu haben, machtpolitische Interessen zu festigen.

von Andreas M. Altmeyer

Die derzeitige Nachrichtenlage ist relativ übersichtlich: Alles, aber wirklich alles, dreht sich um Covid-19, aka Corona. Kein Wunder: Hat doch auch die Bundesregierung nun den Quasi-Ausnahmezustand verhängt, um Infektionsketten zu unterbrechen und die Bevölkerung vor sich selbst zu schützen. So die offizielle Version. Wer in dieser Gemengelage einen kritischen Ton anschlägt, über den brechen förmlich Heerscharen entrüsteter Virus-Wutbürger herein. So zum Beispiel geschehen beim Internisten und Virologen Dr. Wolfgang Wodarg, der die Maßnahmen der Bunderegierung nicht nur für übertrieben, sondern für völlig falsch hält. Tenor: Der Corona-Virus sei schon immer dagewesen, nur hätten wir nichts davon gewusst.

Selbst der Präsident der Bundesärztekammer Ulrich Montgomery bezeichnet den von der Bundesregierung verhängten „Lockdown“ als kritisch. So erklärt er im Interview mit dem General-Anzeiger: „Ich bin kein Freund des Lockdown. Wer so etwas verhängt, muss auch sagen, wann und wie er es wieder aufhebt. (…) Einen flächendeckenden Lockdown halte ich für abwegig. Wollen Sie jeden polizeilich verfolgen, der mit seinem Hund ausgeht?“

Nun: Ich bin kein Virologe und dennoch bleibt er auf der Zunge haften, dieser fade Beigeschmack, dass Herr Wodarg Recht haben könnte. Denn wenn seine Thesen stimmen – und er weiß, von was er spricht, immerhin leitete er in seiner beruflichen Vita ein Gesundheitsamt und war Mitglied der Enquete-Kommission im Bundestag – sollten wir uns überlegen, wohin diese Gesamtsituation schlimmstenfalls führen könnte. Denn nichts wird in den letzten Tagen großzügiger verschenkt und aufgegeben als die persönlichen Freiheitsrechte. Und man mag sich schon die Frage: Warum das alles? Denn wenn man sich das Corona-Dashboard ansieht, so ist dort (Stand 18. März) von gerade mal 7.156 bestätigten Infektionen deutschlandweit die Rede, mit einer Mortalitätsrate von 0,17 Prozent – einem Geschehen, das relativ gesehen der gewöhnlichen Grippe ähnlich ist. Noch einmal: Mir geht es nicht darum, die Verbreitung von Corona zu bagatellisieren. Aber immerhin sollte man den Blick auch in solchen Zeiten mal über den Tellerrand heben. Spätestens seit Prof. Rainer Mausfeld wissen wir, dass es sich mit der abstrakten Angst einfacher regieren und sich eine Bevölkerung, die in Panik Lebensmittel hortet, besser in die eine oder andere Ecke delegieren lässt. Das zeigen letztlich doch schon jene gruppendynamischen Prozesse, wie sie sich derzeit in den Geschäften vollziehen. Da werden fünfzig Packungen Mehl pro Person gekauft, das wiederum wird vom Gegenüber mit Argwohn beobachtet. Mein Bedenken ist nun, dass die Bevölkerung langfristig durch einen solchen externen Stimulus wie dem der Corona-Krise polarisiert und letztlich gespalten wird.

Mehr noch: Lassen sich in einer solchen Phase des Ausnahmezustandes doch auch politische Ziele durchsetzen, die im normalen Alltag kaum mehrheitsfähig wären. Ich meine damit insbesondere die Implementierung von (Notstands)Gesetzen, die die Exekutive stärken und nun ohne Wenn und Aber durchgeboxt werden können, da sich die Menschen vollends auf den Sachverhalte „Corona“ konzentrieren.

So hat ja die Federal Reserve, wie das Handelsblatt berichtet, schon damit begonnen, ein „Notfallprogramm“ zu aktivieren und massenhaft Geld in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen – als kleine „Gegenleistung“ und Sicherheit für ihr Darlehen an Unternehmen – nimmt sie Aktien und Kommunalanleihen sowie Unternehmensanleihen an, womit sie kurzfristig noch mächtiger wird. Wo das hinführt, vermag zum jetzigen Zeitpunkt (noch) niemand zu sagen, denn die Federal Reserve ist keine rein staatliche Organisation, sondern handelt zuallererst entsprechend ihrer Interessen – und die haben immer und ausschließlich mit Gewinnmaximierung zu tun.

Sehr wahrscheinlich ist, dass auch diese Finanzspritze die Talfahrt der Unternehmensanleihen nicht wird stoppen können und dass alles über kurz oder lang auf einen Börsencrash ungeahnten Ausmaßes hinauslaufen wird. Das eben ist der große „Schwarze Schwan“, der unsere Gesellschaft nachhaltig verändern wird. Diesen kaschiert das gegenwärtige mediale Framing nur allzu gerne.

Weil der Begriff „Börsencrash“ immer so abstrakt daherkommt, werde ich mal ein bisschen konkreter. Zunächst wird die Derivate-Blase an den Börsen platzen, die Kurse in rasante Talfahrten geraten und es zu einer Flucht in die Sachwerte kommen. Im „Real-Life“ heißt das: Die momentan noch sicheren Lieferketten von Lebensmitteln werden nicht aufrechterhalten, die Regale in den Geschäften durch die Produktion „just in time“ bleiben leer – und damit meine ich nicht den kurzfristigen Ausverkauf von Toilettenpapier –, Kredite nicht mehr bedient, viele Banken schließen, genauso wie zahlreiche mittelständische Unternehmen.

Doch was war zuerst da? Der Crash oder Corona, das Huhn oder das Ei? Das wird niemand mehr so recht sagen können. Nun: Corona erschiene zumindest vielen Menschen einleuchtender, verständlicher und wäre für viele unserer Eliten auch ein probates Mittel, um von ihrem eigenen Versagen vorerst abzulenken. Ganz nach dem Motto: Das System, damit ist alles in Ordnung, der Virus, der war’s!

Nun stelle man sich vor, in einer solch explosiven und nicht zuletzt existentiellen Krise schneit noch eine kleine Nachricht hinein. Vielleicht wollen die USA irgendwann ja davon erfahren haben, dass China den Virus willentlich „freigelassen“ hat oder umgekehrt. Dann wäre ein nächster Krieg, beziehungsweise für Deutschland der Nato-Bündnisfall, nicht weit. Nochmal: Mir geht es nicht darum, das Virus zu verharmlosen, aber es gibt – und das will ich mit diesem kleinen Text aufzeigen – Menschen, die ihre Interessen mittels diesem durchsetzen wollen.

Wir müssen uns auch von dem Gedanken verabschieden, dass unsere Politiker in unserem Sinne handeln. Wäre das Virus nicht wirtschaftsrelevant, so hätten wir keinerlei Einschränkungen in unserem Alltag  zu befürchten.

Ein Herr Spahn, der jetzt als der große „Krisenkoordinator“ auftritt, ist verantwortlich für die prekäre Situation, wie sie sich zurzeit in den Krankenhäusern darstellt! Er nahm willfährig beim Pflegepersonal Personaluntergrenzen in Kauf, siehe Ärzteblatt, und forderte noch im Februar, mehr Mut bei der Debatte um Krankenhausschließungen. Ich erinnere an die sogenannte Studie der Bertelsmann-Stiftung, diesem neoliberalen Think Tank, die noch am 15. Juli 2019 vollmundig behauptete, eine bessere medizinische Versorgung sei nur mit halb so vielen Kliniken möglich. Und auf diese Leute haben Spahn und Konsorten gehört, weil sie eben Teil jener neoliberalen Elite sind und die regiden Sparmaßnahmen an Personal sowie Material zugunsten der Rendite befürwortet haben. Es ist und bleibt alles so scheinheilig.

Wegen dieser verlogenen Lage, die unseren Damen und Herren Industrievertretern Raum zum Handeln und ein neues Spektrum an Macht-Möglichkeiten eröffnet, ist es wichtig, genau hinzusehen! Sind Gesetze erst mal verabschiedet, werden sie nicht mehr so schnell aufgehoben, der sogenannte PATRIOT-Act, der in den Wirren des 11. September 2001 verabschiedet wurde, ist wohl das schwärzeste Beispiel dafür.

Und nochmal: Ich maße mir kein Urteil über die Gefährlichkeit des Virus an. Dennoch ist es zumindest erwähnenswert, dass die Grippewelle 20017/18 25.100 Todesopfer forderte – und ganz ohne jegliche Einschränkungen im Alltagsleben auskam. Fest steht, die Pharmakonzerne werden von den gegenwärtigen Entwicklungen profitieren, genauso wie das Militär, das seine Daseinsberechtigung unter dem Deckmantel der zivilen Inlandshilfe rechtfertigen wird. Ja, ein solcher Virus bietet letztlich doch noch mehr Raum zur Projektion als die AfD, nicht wahr? Das werden die Eliten gnadenlos ausnutzen und als die „großen Erlöser“ auftreten, nur damit keiner mehr den Status Quo infrage stellt.

Mich persönlich würde es auch nicht wundern, wenn sich einer unserer sogenannten Volkvertreter bzw. -rinnen dreist vor die Kameras stellen und skandierte: „Deutschland hat in Zeiten von Corona so viel für seine Bürger getan, nun ist es daran, dass die Bürger etwas für ihr Land tun.“ JFK lässt grüßen. Mir schwant Böses und ich hoffe, dass das neue Narrativ „Virus“ nicht zu solchen verheerenden Folgen wie jenes des sogenannten „Krieges gegen den Terror“ führen wird, der kostete im Irak, in Pakistan und Afghanistan seit dem 11. September 2001 rund 500.000 Menschen das Leben.

Bleiben Sie gesund und bewahren Sie sich Ihren kritischen Blick.

Quellen und Links:

Weiterführende Literatur:

  • Mausfeld, Rainer, Warum Schweigen die Lämmer – Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören, Westend 2018
  • Krall, Markus, Wenn schwarze Schwäne Junge kriegen: Warum wir unsere Gesellschaft neu organisieren müssen, FBV 2018

Weiterführender Pflege-Blog:

In ihrem Blog mypflegephilosophie beschäftigt sich die examinierte Krankenschwester und Pflegewissenschaftlerin Monja Schünemann mit den gegenwärtigen Problemstellungen in der Pflege. Sehr lesenswert, wie ich finde!


C wie Corona

Der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber schrieb einmal „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Umso mehr dürfte uns die Tragweite des Satzes wohl in Tagen wie diesen bewusst werden, in denen die Begegnung als solche zu einem Risikofaktor wird. Noch dazu, wenn das alltägliche, respektive: das öffentliche Leben, durch einen externen Stimulus, der obendrein unsichtbar ist, fast vollends zum Erliegen kommt. „Corona“ lautet die neue Hiobsbotschaft, die ein vermeintliches Endzeit-Szenario skizziert, das uns doch so viel über uns selbst verrät. Denn das Virus bricht unser aller Leben herunter auf einen basalen Nenner, nämlich diesen: Wir alle sind am Ende des Tages vergänglich, echte Sicherheit ist eine Illusion – und die Natur noch immer mächtiger als wir.

Da hilft kein Machbarkeitswahn, kein Egozentrismus und auch kein Hamstern in den Supermärkten. Und manchmal mag man sich zurecht fragen, ob das Corona-Virus oder eben die Panik vor ihm ansteckender ist.

All jenen, die sich nun in Selbstmitleid suhlen, wenn sie eine 14tägige Quarantaine in einem der best versorgten Länder wie zum Beispiel Deutschland antreten – WLAN und Netflix inklusive – oder das Konzertticket zurückgeben müssen, sei gesagt: Es gibt Schlimmeres! So hat ein Masern-Ausbruch alleine in der zentralafrikanischen Republik Kongo bisweilen 6.000 Todesopfer gefordert – Ebola rund 2.000, wie das deutsche Ärzteblatt berichtet. Durch Tuberkulose sterben weltweit noch immer 4.500 Menschen an einem Tag. In Syrien, Afghanistan und andernorts wissen Mütter und Väter tagtäglich nicht, ob sie und ihre Kinder überleben.

Das alles soll die Corona-Pandemie nicht herunterspielen, aber vielleicht ein wenig relativieren. Denn in unserem von Kleingärten und Pauschalurlauben geprägten westeuropäischen Kultur-Raum des „You can get it all if you want“ wird ja bekanntlich jede Störung der Alltags-Routine, jede noch so kleine Einschränkung in der Persönlichkeits-Entfaltung als eine Eruption wahrgenommen.

Wenn also jetzt einmal die Regale (kurzfristig!) leer sind bei Aldi, Lidl und Co, zeigt das vor allem, dass die Sozialisation in unserer neoliberalen Gesellschaft kompetitive Menschen hervorbringt, die das „Ich“ vor das „Wir“ stellen und auch in Krisensituationen ihrer individualistischen Hybris folgen – dass sich diese im paradoxen Horten von Toilettenpapier manifestiert, ist ja fast schon bezeichnend. Doch was haben wir erwartet? Seit Jahrzehnten werden unsere Kinder, werden wir, in einem Schulsystem sozialisiert, das uns die „Bedürfnisse“ eines abstrakten Marktes eintrichtert, den es unter diesen menschenverachtenden Bedingungen nur geben kann, weil einige wenige Menschen das wollen. Bildung verkam zur Ausbildung, Studiengänge wurden verkürzt und inhaltlich entleert. Man könnte auch sagen: Wir wurden alle perfekt zu marktkonformen Subjekten dressiert, zu perfekten Konsumenten. Jedenfalls viele von uns – und die Folgen zeigen sich jetzt.

Eine Gesellschaft, in der die irrwitzige Diskussion über eine ominöse „Festung Europa“ entbrannt ist, muss also jetzt erkennen, dass Europa von einer ganz anderen Bedrohung heimgesucht wird als gedacht – und die geht und ging nie von Flüchtlingen aus!

Corona zeigt letztlich wie ein Brennglas, was in hochspezialisierten Gesellschaften geschieht, wenn ein Sandkorn in deren strukturelles Getriebe gerät: All das, was wir menschliche Werte nennen, läuft plötzlich Gefahr, an der Supermarkt-Kasse null und nichtig zu sein, auch wenn es nur um das letzte Päckchen Mehl geht. The Walking Dead ist dagegen fast ein Kindergarten, oder?

So wirft das Corona-Virus auch die Frage auf, ob wir so, wie wir gelebt haben – indivdualisitisch und ich-bezogen – weiter leben können und sollen. Meine Antwort ist: nein. Denn das, was unsere sogenannte Zivilisation ist, ist doch letztlich nur ein Kunstbegriff, den wir ständig mit Bedeutung und Inhalten füllen müssen – und das gelingt eben nicht mit kultureller oder individueller Egomanie – ganz gleich ob America, Deutschland oder sonstwas first.

Das gelingt mit Schulen, die Gemeinschaft und das Gemeinwesen fördern und Menschen zum kritischen Denken inspirieren, dazu gehören Krankenhäuser, die sich nicht dem neoliberalen Kostendruck beugen müssen, sondern ihrem elementarsten Zweck dienen: Menschen zu versorgen und zu helfen. Kurz: Dazu gehört einfach die Erkenntnis, dass wir alle in einem Boot sitzen – losgelöst von Länder- und Ideologie-Grenzen. Denn Frieden ist ein zerbrechliches Gut, das wir nur dann schützen können, wenn wir in Krisenzeiten an einem Strang ziehen. Dafür braucht es keine Waffen, die brauchte es nie, auch imaginäre Feindbilder braucht es nicht, sondern menschliche Einsicht und ernst gemeinte Solidarität.

Eine Anmerkung: Auch jeneseits jeder Aluhut-Allüren wird man der Corona-Epidemie eine geostrategische Dimension nicht absprechen können. Denn immerhin wurden und werden durch Corona nicht nur weite Teile Asiens, sondern auch Westeuropas wirtschaftlich nachhaltig geschwächt. Ungeachtet ihrer Entstehung – ob willentlich herbeigeführt oder eben unwillkürlich – passt Corona damit strukturell in ein geopolitisches Muster – beziehungsweise würde in ein solches passen – siehe dazu auch die Heartland-Theorie von Halford Mackinder. In dieses Bild passt übrigens auch, dass der Iran neben China sehr stark vom Corona-Virus betroffen ist und durch die US-amerikanischen Handelssanktionen ohnehin am Boden liegt. Die Lage im Iran ist dramatisch, das Geld knapp und es fehlt an medizinischen Hilfsmitteln. Letztlich tangiert das Corona-Virus somit auch länderübergreifende Großprojekte wie die Neue Seidenstraße. Auch die mit den invasiven politischen Maßnahmen verbundene Einschränkung der Bürgerrechte in Kombination mit einem potentiellen Börsen-Crash bieten enormes Gefahren-Potential. Das sollte erwähnt werden. Die Zeit wird die Wahrheit zutage bringen.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien, dass Sie gesund bleiben.