Konservative Wende?

Ohne Frage zeigt das Ergebnis der AfD bei der Europawahl eine klare Tendenz: Dass sich nämlich weite Teile der Bevölkerung nicht verunsichern lassen und insbesondere junge Wähler der Partei etwas zutrauen,  während die CDU/CSU bei den Ab-60-Jährigen punkten. Andererseits, und das ist die Crux, scheinen doch immer noch zu viele Menschen der Merkel’schen Nachfolgeorganisation zu vertrauen und damit jene beiden Parteien zu wählen, die für die politischen Kardinalfehler der letzten zehn Jahre, namentlich die Migrationskrise und den Atomausstieg, verantwortlich sind. Dies ist insbesondere deshalb problematisch, weil die Migrationskrise abhängig ist von einer Zeitvariablen: Immer noch strömen tagtäglich Glücksritter aus aller Welt nach Deutschland, werden Grenzen unzureichend geschützt, Staatsbürgerschaften verschenkt und terroristische Gefährder importiert. Irgendwann wird der Kippunkt erreicht sein, der diese Krise irreversibel macht.  

Von der CDU/CSU ist dahingehend keine echte Kurswende zu erwarten, auch wenn Merz von Obergrenzen schwadroniert, reicht das alleine keineswegs aus, bräuchte es doch einen strukturellen Stopp der illegalen Migration auf allen Ebenen. Gleichzeitig ist die AfD, wenn man die Europawahl als Indikator für die Bundestagswahlen nimmt, aber auf eine Koalition mit der CDU angewiesen, da ihr die absolute Mehrheit fehlt.

Ihr wird also, um den Schwung des Aufwindes vollumfänglich zu nutzen, der Balanceakt gelingen müssen, ihre Kernthesen zu vertreten, andererseits aber gerade im Bereich des Selbstmarketings zuzulegen. „Die freundliche AfD von nebenan“, dieses Bild verkörperte die Partei am deutlichsten, als sie in den vorherigen Monaten die 20-Prozent-Marke knackte. Allerdings: Durch mediale Fallen-Stellerei und einen gewissen unreflektierten Beißreflex darauf wurde dieser Vorteil vorerst verspielt. Auch deshalb, weil man über jedes mediale Stöckchen sprang.

Nun zeichnet sich scheinbar ein gewisses Umdenken ab. Auf die Frage eines Journalisten an Alice Weidel, was sie von dem Klingbeil’schen Nazi-Lapsus in der Elefanten-Runde halte, wurde diese ganz ruhig und brachte mit kühlen Worten ihre Fassungslosigkeit zum Ausdruck. Sie ging, um es kommunikationstheoretisch auszudrücken, auf die Meta-Ebene. Und diese Meta-Perspektive, dieses „Betrachten des Mainstreams von außen“ tut der AfD gut. Mit dem enormen Zugewinn in Ostdeutschland hat die Partei nun in Kreistagen und Gemeinden die Chance, ihren Führungsanspruch zu untermauern und solide konstruktive politische Arbeit zu leisten. Wird ihr dies gelingen, könnten sich davon auch mehr Westdeutsche bei ihrer nächsten Wahlentscheidung inspirieren lassen.

Ich schrieb es bereits und wiederhole es an dieser Stelle: Nur wenn die Alternative für Deutschland an der Reinheit ihrer Lehre festhält und sich nicht abschleifen lässt, hat sie eine Chance darauf, als echte Opposition und als gesellschaftlicher Alternativ-Entwurf wahrgenommen zu werden. Das ist und bleibt ihr gewichtigstes Pfund. Gibt sie dieses auf, gibt sie in ihren Kernthesen nach, wird sie sich selbst verlieren. Doch nicht nur zu ihren Kernthesen, sondern auch zu ihrem Personal sollte die Partei stehen. Der Fall Krah zeigt jedoch, dass so mancher Personalwechsel stets intransparent vonstattengeht. Eine echte Begründung dafür seitens des Parteivorstandes hätte notgetan, gerade auch darum, weil hier erneut eine Reaktion quasi von außen, durch eine Journalistin, provoziert werden konnte.  Auch wenn davon auszugehen ist, dass dies im Falle Krah nur der letzte Tropfen auf den heißen Stein war, schwächt eine solche Demontage letztlich den Auftritt der gesamten Partei.  

Auch die Entwicklungen unserer Nachbarländer – insbesondere in Frankreich, Italien und Belgien – deuten auf eine neue konservative Wende hin. Es wird nun darum gehen, diese mit Inhalten und einem geschickten Marketing zu vollziehen.

Andere Nationen sind darin deutlich schneller. Aber vielleicht handelt es sich ja auch um ein Langstreckenrennen. Für dieses haben wir aber eigentlich keine Zeit mehr.

Autor: Andreas Altmeyer

Autor, Friedensaktivist

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