Mindestlohn: CDU goes links?

Die öffentliche Diskussion um einen flächendeckenden Mindestlohn erhält durch die neuerlichen CDU-Bekundungen von Frau Merkel wieder eine neue Brisanz. Doch um was es der lieben Angela geht, ist kein allgemeines Mindestlohn-Konzept, sondern vielmehr die Einführung von Lohnuntergrenzen in den Branchen, in denen es die Tarifparteien bisher nicht geschafft haben, sich auf Entsprechendes zu einigen. Immerhin ein Schritt in die richtige Richtung und ein Beweis dafür, dass die LINKE, ganz im Sinne Gysis, eben doch recht hat. Auch die schwarz-konservative Arbeitsministerin Ursula von der Leyen stellt fest, dass es sich hier um eine „logische Weiterentwicklung innerhalb der sozialen Marktwirtschaft“ handelt. Leider feht es der CDU eben an der nötigen Courage, aus den Zwängen der neo-liberalen Mühlen auch sprachlich zu entfliehen und diese deutliche Bekenntnis zu einem Mehr-an-Links auch in ihr Wording zu übernehmen.

Interessant auch, dass diese Forderung strategisch äußerst günstig platziert scheint: Mitte November findet in Leipzig nämlich der Bundersparteitag der CDU statt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Auch der Mindestlohn-Kritiker par excellence, Arbeitgeberpräsident Hundt, sollte irgendwann einmal verstehen, dass es in Sachen Lohnpolitik um mehr geht als darum, die unbegründeten Ängste der Menschen vor Entlassungen zu schüren. Fakt ist: Wer einer geregelten Arbeitstätigkeit von 8 Stunden am Tag nach geht, soll und muss von dieser Arbeit auch leben können. Dies ist aber in vielen Branchen noch längst nicht der Fall. Arbeitgeber und vor allem Großkonzerne die diesen Aktivtausch – gerechter Lohn für gerechte Arbeit – nicht verstehen, sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst.

Randnote: Andrea Nahles ‚lobte‘ die neue Marsch-Route der CDU als Politik der „späten Erkenntnis“. „Wenn Frau Merkel umfällt, dann tut sie es hier wenigstens in die richtige Richtung“, sagte die SPD-Generalsekretärin.

Mein Zitat das Tages stammt übrigens von dem (heutzutage) wohl links gerichtesten Unions-Politiker und attac-Mitglied Heiner Geißler:

„Gott sei Dank ist die CDU nicht mehr so in der Koalition drin, dass sie jeden Vorschlag der FDP übernehmen muss.“

Working poor im Wachgewerbe

ch bin seit seit langer Zeit schon Gewerkschafts-Mitglied. Soweit so gut. Allerdings habe ich nie ganz verstanden, dass gewisse Problem-Gruppen von dieser keinerlei Beachtung finden. Nehmen wir das große Feld der Sicherheitsdienst-Branche, das von Bsirske und Co. aus irgendwelchen unverfindlichen Gründen quasi in verhandlungspolitisches Niemandsland gerückt wurde. Hier waren die Positionen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern seit Jahren schon fest gefahren. Ergo: Die Beschäftigten erhielten seit Jahrzehnten den gleichen, niedrigen Stundenlohn, während die Lebenshaltungskosten exponentiell stiegen. Existentielle Nöte und die Angst vor Entlassungen prägen und prägten deren Lebenswelten, denn nicht selten arbeiten die Wachunternehmen über Jahre hinweg mit Zeitverträgen, die bei Bedarf verlängert oder beendet werden. Die meiste ihrer Lebensszeit verbringen die Wach-Sklaven übrigens auf der Arbeit: 12-Stunden-Dienste sind die Regel, tagaus, tagein. Deren Sozial- und Privatleben verdorren zu einem Beiwerk – Scheidungen, Schulden und Alkoholismus zeugen nicht selten davon. So wird die Arbeit zu einem Hamsterrad, aus dem es kaum Fluchtwege gibt: Immer weg von zu Hause und doch nur knapp oberhalb der Armutsgrenze.

Im gesellschaftlichen Bewusstsein ist nun die Arbeit derer, die uns da schützen und nachts auf die so geschätzten, wertvollen Besitztümer ein Auge werfen nicht wirklich hoch angesehen. Doch was es heißt, 12 Stunden lang regelmäßig wach zu sein und nachts seine Arbeit zu tun, dass sollte jeder im Selbstversuch erfahren.

Grundsätzlich empfinde ich es als einen Hohn, dass Menschen bei einem Stundenlohn von (im Saarland seit dem 1. Juli) 6,53 € (!) ihr Dasein mit teilweise mehr als 240 (!) Arbeitsstunden pro Monat fristen müssen, damit dann überhaupt noch was über bleibt. Hier vermisse ich das dauerhafte, gewerkschaftliche Engagement sehr und würde mir auch solidarische Bekundungen anderer Beschäftigungszweige wünschen. Nun gab es immerhin eine Lohnerhöhung. Als Erfolg kann sich VERDI das Ergebnis der Lohnverhandlungen dieses Jahres aber wohl wirklich nicht an die Fahne heften, denn diese waren dringend notwendig und kamen für viele verschuldete Beschäftigten zu spät.

Immerhin: Die Sätze steigen in allen Bundesländern in zwei Stufen zum 1. März 2012 und zum 1. Januar 2013 auf 7,50 Euro bis 8,90 Euro an. Doch die Crux folgt auf den Fuße: Viele Auftragsgeber haben bereits Entlassungen bei ihren Wachmannschaften angekündigt. Solidarität tut also Not!