Israel vs. Palästina: Ein Konflikt, gemacht vom Westen

Frei nach Marx heißt es bekanntlich: Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie stets unter vorgegebenen Umständen. Nun lässt sich dieses Zitat nur bedingt auf den Israel-Palästina-Konflikt anwenden. Betrachten wir nämlich dessen Ursprung, so kommen wir nicht umhin, die von England, genauer: die von dem damaligen britischen Außenminister, Sir Arthur Belfour, verfasste Balfour-Deklaration zu erwähnen. Selbige wurde am 2. November 1917 aufgesetzt und garantierte den Zionisten eine nationale Heimstätte. Kurz: Die Engländer verschenkten als Besatzer des Nahen Ostens Land an eine Drittpartei, das ihnen gar nicht gehörte. Das sollte man sich immer mal wieder ins Gedächtnis rufen, wenn man heutzutage den Nahen Osten als permanentes Pulverfass metaphorisiert.

Fest steht ebenfalls, dass die Briten diese „Schenkung“, die ja keine war, denn das würde ja voraussetzen, dass das Verschenkte dem Schenkenden einst gehörte, nicht aus reiner Nächstenliebe vornahmen. Vielmehr wollte man einerseits die Juden aus dem eigenen Land verbannen und andererseits mit dem Staate Israel einen „Flugzeugträger“ installieren, der die Interessen des eigenen Landes wahren sollte. Wir erinnern uns: Der Erste Weltkrieg war fast vorbei und Großbritannien versuchte, sich die Unterstützung der Juden in aller Welt zu sichern, um die Mittelmächte USA und Russland zu schwächen.

Die Weichen für die Gründung des Staates Israel wurden also weit vor dessen eigentlichem Gründungsdatum, dem 14. Mai 1948, gestellt. Das ist auch auf das Völkerbund-Mandat Großbritanniens zurückzuführen, das schon in der Konferenz von Sanremo die Neuaufteilung des einstigen Osmanischen Reiches regelte. So ist es durchaus verständlich, dass die benachbarten Staaten in Israel ein artifizielles Konstrukt des Westens sahen, das sie provozierte. Noch in der Gründungsnacht erklärten Ägypten, Saudi-Arabien, Transjordanien, der Libanon, der Irak und Syrien dem neuen Staat den Krieg. Dieser dauerte rund ein Jahr an und brachte Israel erhebliche Landgewinne, während die für die Palästinenser vorgesehenen Areale, vor allem der Gazastreifen und das Westjordanland, unter ägyptische Besatzung gelangten. Der sogenannte Israelische Unabhängigkeitskrieg verursachte die erste Flüchtlingswelle der arabisch-stämmigen Bevölkerung in die Nachbarländer und zeigte, dass Israel bereit war, mit enormer militärischer Härte gegen seine Gegner vorzugehen.

Das bewies sich auch im Jahr 1956, als es Frankreich und Großbritannien bei der Sues-Kampagne gegen Ägypten unterstützte. Zur Erinnerung: Gamal Abdel Nassar hatte gegen „geltendes Recht“, dessen Nutznießer natürlich die Großmächte waren, den Sues-Kanal verstaatlicht. Doch Nassar bewies enormes diplomatisches Geschick: Die USA intervenierten, Frankreich und das Vereinigte Königreich mussten sich geschlagen geben. Dies begründete schließlich Nassars Mythos: Noch heute wird dieser in Ägypten als Volksheld verehrt.

Im Sechs-Tage-Krieg von 1967 verschärften sich die Spannungen zwischen Ägypten und Israel, nachdem Ägypten die Sinai-Halbinsel besetzt und die Straße von Tiran für die israelische Schifffahrt gesperrt hatte. Auch dieses Mal ging Israel jedoch als Sieger hervor. Die daraus resultierenden Gebietsgewinne, darunter der Gazastreifen, die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen, das Westjordanland und Ostjerusalem, sind kennzeichnend für die Geopolitik der Gegenwart.

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Israelischer Panzer, Foto: AP (C)

Der vierte arabisch-israelische Krieg war schließlich der Jom Kippur Krieg im Jahre 1973. Am Tag der Versöhnung, Jom Kippur, griffen Syrien und Ägypten (unter Anwar as-Sadat) die Sinai Halbinsel und die Golanhöhen an, wurden jedoch erneut von der israelischen Armee besiegt.

Ich habe diese äußeren Konflikte deshalb angeführt, weil sie zum Verständnis der heutigen Situation in Israel deutlich beitragen.

Betrachten wir das Freiheitsbestreben der Palästinenser gegenüber den Israelis, so ist damit untrennbar der Name Jassir Arafat verbunden. Klar ist jedoch, dass der Gründer der Fatah, also der Bewegung zu Befreiung Palästinas, als ambivalente Figur der Geschichte zu sehen ist. Deshalb wird er auch in den Augen vieler Historiker als Chamäleon bezeichnet. Fakt ist, dass Arafat sich nicht davor scheute, die Unabhängigkeit Palästinas mit Waffengewalt durchzusetzen. Erst nach und nach erntete er diplomatische Anerkennung, so vor allem bei seinem Auftritt vor der UNO-Vollversammlung im Jahre 1974. Bei allem Verständnis für seine Bemühungen, so muss man ihn, denke ich, auch als Terroristen sehen, der nachweislich Attentate organisierte und plante.

Immer wieder lehnten sich die Palästinenser in Aufständen, densogenannten Intifadas, gegen Israel auf, das als Besatzermacht empfunden wurde. Die erste Intifada begann 1987 und endete mit den Friedensverhandlungen von Oslo 1993. Die Zweite Intifada begann im Jahr 2000, nachdem der israelische Oppositionspolitiker Ariel Sharon am 28. September 2000 den Tempelberg besucht hatte.

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Palästinensischer Freiheitskämpfer, Foto: Aljazeira (c)

Doch vor allem die Wahl Benjamin Netanjahus zum israelischen Premierminister gefährdet einen langfristigen Friedenprozess, da dieser bei seinem rechtkonservativen Regierungskurs auf einen starken Staat und überlegene militärische Präsenz und Unterdrückung der Palästinenser setzte und immer noch setzt. Dazu zählt auch eine imperial anmutende Siedlungspolitik auf palästinensischen Gebieten und die Unterdrückung und Schikane der arabischen Bevölkerung.

Interpretation des Konflikts

Deutlich wird bei dem sogenannten Nah-Ost-Konflikt, wie sehr dieser in die Sphären der Machtpolitik westlicher Staaten hineinragt. Man mag die Belfour-Deklaration dabei als das entscheidendes Zünglein an der Waage betrachten, denn ohne eine solche Deklaration wäre Israel wohl nie entstanden.

Während die Israelis ihren Herrschaftsanspruch mit dem Alten Testament rechtfertigen, sehen sich die Palästinenser als die eigentlich rechtmäßigen Einwohner des so gelobten und umkämpften Landes. So mündet der Konflikt in einen brandgefährlichen Streit um die Deutungshoheit, der sich mit nichts weniger als einem Absolutheitsanspruch zufrieden gibt, denn Religion ist stets absolut und die Hand, die in ihrem Namen tötet, immer (!) ideologisch motiviert.

Schnell neigt man dazu, in diesem Konflikt parteiisch zu sein, denn natürlich stehen die Palästinenser einer übermächtigen israelischen Armee gegenüber. Und ja: Die Kontrollposten, die den Palästinensern das Leben im Alltag enorm erschweren, sind reine Schikane. Doch Opfer gab und gibt es auf beiden Seiten. Während Israel mit Raketen auf palästinensische Gebiete schießt, hängen sich sogenannte palästinensische Freiheitskämpfer Sprengstoffgürtel um, um jüdische Kinder zu töten.

Bei alledem vergessen wir, dass Israel längst zu einem Spielball der westlichen Imperien, allen voran der USA, geworden ist. Denn das Rüstungsgeschäft mit dem Land, das sich permanent im militärischen Ausnahmezustand befindet, boomt. Auch Deutschland verdient da kräftig mit. Es darf also die Frage gestellt werden, wie ernsthaft die sogenannten Friedensbemühungen seitens der westlichen Welt gemeint waren und sind. Donald Trumps jüngste Äußerung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, lässt jedenfalls keinen Zweifel daran aufkommen, dass man an Israel auch zukünftig als Rüstungsabnehmer interessiert ist. Daneben rechnen sich die westliche Strippenzieher gute Chancen aus, die Arabische Welt durch die Flankierung Israels längerfristig zu schwächen und die eigene Vormachtstellung zu sichern.

Doch parallel zum internen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zeichnet sich auch ein externer Konflikt ab. Denn an der nördlichen Grenze Israels steht die iranische Hisbolla quasi schon vor der Haustür, nachdem der schiitische Mullah-Staat einen stillen Regime-Change in Beirut vollzogen hat.

Was bleibt, ist ein Appel an die Menschlichkeit und an die Einsicht, dass ein Auskommen miteinander immer besser als der Kampf gegeneinander ist. Es ist so unfassbar banal und am Ende doch so unfassbar kompliziert.

Fotos: politische-Bildung.de, AP, aljazera

Zur Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels. Ein offener Brief an Donald Trump

Was die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels seitens der USA bedeutet, ist unklar. In einem offenen Brief an Donald Trump skizziere ich ein paar Gedanken über seine möglichen Motive, die Geschichte des Nahen Ostens und wo dieses Spiel mit dem Feuer hinführen könnte.

Sehr geehrter Donald Trump, sehr geehrter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika,

vielleicht war die Entscheidung Jerusalem als die Hauptstadt Israels anzuerkennen, einer Ihrer viel kritisierten spontanen Reaktionen geschuldet, für die Sie so bekannt sind. Vielleicht hat sie aber auch mit einem weitaus schlimmeren Motiv zu tun, namentlich Ihrer Tendenz, die Geschehnisse im Nahen Osten zu generalisieren und sich dabei über die Folgen, die ein solches Signal mit sich bringen könnte, nicht bewusst zu sein. Oder, was die schlimmste aller anzunehmenden Motivationen wäre: Sie sind sich sehr wohl darüber im Klaren.

Was Sie auch immer, Herr Trump, dazu bewogen haben mag: Erneut haben Sie sich als Drittstaat in eine Debatte eingemischt und Stellung bezogen. Bedenklich ist dieser, Ihr Entschluss, vor allem deswegen, weil damit erneut ein Drittstaat, namentlich der mächtigste der Welt, in die Geschehnisse eines Landes bzw. einer Landpartie eingreift, die sich in ihrer jüngsten Geschichte immer schon der Gunst oder Missgunst dritter ausgesetzt sah.

Als damals Großbritannien vor ziemlich genau einhundert Jahren mit der Belfour-Deklaration den Grundstein für die Entstehung eines zionistischen Staates legte, und im jüdischen Volk jene nationalistischen Umtriebe schürte, die heute in einer omnipotenten Allmachtphantasie der israelischen Regierung gipfeln, hätte man das Desaster kommen sehen müssen. Manifestiert hat sich der Wille zur Expansion der Israelis schließlich 1967 im Sechs-Tage-Krieg, der die Besetzung der Golanhöhen nach sich zog, obwohl sie territorial zu Syrien gehören. Dieser Zustand hält bis heute an, wohl auch deshalb, weil dieser Landstich Israel einen Großteil seines Trinkwassers liefert.

Auch im Westjordanland und insbesondere im Gazastreifen, einem kargen Randgebiet, das hauptsächlich aus Dünen besteht, tritt die Großmacht Israel mit martialischer Präsenz auf, unterdrückt, unterjocht und tötet diejenigen, denen dieses Land ursprünglich gehörte.

Nun kennen Sie bereits sicherlich all diese Fakten und können daraus wohl ableiten, warum die radikal-palästinensische Hamas entsprechend auf diese Intervention der Besatzer antwortet. Auch wenn ich das keineswegs befürworte, erinnere ich Sie an die einfache, wenn auch wahre Gleichung, wonach Gewalt bekanntlich Gegengewalt erzeugt.

Vielleicht ist aber die Anerkennung Jerusalems als die Hauptstadt Israels nichts weiter als ein kluger, geostrategischer Schachzug, der, mit Verlaub, gar nicht von Ihnen, sondern von ihren Militärs respektive Thinktanks ersonnen wurde. Denn, anders als Ihre Vorgänger, haben Sie (noch) keinen echten Krieg geführt, abgesehen von den paar Tomahawk-Raketen, die Sie auf Syrien abfeuerten. Das zählt aber nicht. Immerhin kannten Sie damals den Unterschied zwischen Syrien und dem Irak nicht einmal. Vergeben und vergessen.

Schaut man sich jedoch die Entwicklungen im Nahen Osten näher an, so könnte man, entschuldigen Sie mir dieses Gedankenexperiment, auf die infame Idee kommen, dass Sie sich bedroht fühlen. Nein, nicht bedroht im eigentlichen Sinne, vielmehr wenn es um die Sicherstellung dessen geht, was für Ihr Land, really, really, wichtig ist: das Öl. Könnte es nicht sein, dass es Ihnen zu schaffen macht, dass der Iran und damit auch die schiitische Hisbollah, sein Hoheitsgebiet sukzessive erweitert und damit Ihre Rohstoffversorgung gefärdet? Erinnern Sie sich an das libanesische Staatsoberhaupt Saad Hariri, das erst vor ein paar Wochen zu den Saudis floh? Nun ist Hariri wieder zurück, doch hat nichts mehr zu sagen, außer „ja“ zum Iran. Dieser wiederum hat den Zwangsurlaub Hariris am Golf sinnvoll genutzt, um unter Michel Aoun eine Marionettenregierung Irans zu etablieren. Der böse Iran. Wie gerne hätten Sie dessen Atomprogramm auf Eis gelegt, wie gerne hätten Sie, Donald, aus ihm einen weiteren Verbündeten bzw. eine neue Tankstelle der USA gemacht. Fazit: Außer Spesen, nix gewesen. Nun stehen die Mullahs quasi schon vor der israelischen Haustür.

Nun gut, in dieser Sache waren Sie also machtlos. Doch jetzt, jetzt haben Sie es zumindest den anderen, den Sunniten, mal so richtig gezeigt … Denken Sie, Herr Präsident! Denn mit Ihrer Entscheidung haben Sie Jerusalem endgültig zur „Sin City“ in Middle-East gemacht. Warum? Hier meine Antwort: Grundsätzlich werden Sie den extremistischen Sunniten, also insbesondere ISIS und Co. damit jenen sprichwörtlichen Sprengstoff liefern, den sie zum zündeln und bomben brauchen, denn mit Ihrem Entschluss rückt eine Zweistaaten-Lösung wieder in weite Ferne. Sicher, die Geschäfte mit der Regierung Netanjahu wird das zunächst ankurbeln. Doch zu welchem Preis? Wieder fühlen sich Araber in ihrem Nationalismus bestärkt, fühlen sie sich von Menschen aus dem Westen bevormundet und verraten. Ob sich die Geister, die Sie riefen, auch in einem Terror-Echo innerhalb Ihres so geliebten Heimatlandes entladen werden, bleibt abzuwarten. Aber vielleicht, Herr Trump, sind Sie ja auch bereit, diesen Preis, tatsächlich zu zahlen, zugunsten einer arabischen Revolte, die vielleicht, ja vielleicht, sogar einer militärischen Intervention Ihrerseits bedarf.

So würden Sie jedenfalls mehr als zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die US-Wirtschaft käme in Schwung, Sie könnten Ihre Vormachtstellung und Ihre Rohstoffhoheit festigen und hätten endlich einen Kriegsschauplatz, dessen unterirdische Ressourcen es Wert sind, junge Marines in den Tod fürs Vaterland zu schicken.

Nun ist es durchaus interessant zu sehen, dass sich die Saudis, mit denen Sie ja liebend gerne Geschäfte machen, gegen Ihre Anerkennung Jerusalems aussprachen. Vielleicht ist all das aber nur Symbolpolitik des Hauses Saud, genauer des neuen starken Mannes am Golf, Prinz Mohammed bin Salman. Denn fest steht, die Monarchie der Sauds braucht seit dem schwachen Kurs des Petro-Dollars neue, gewinnbringende Geschäftsfelder. Aber wahrscheinlich haben Sie darüber schon längst mit Ihren Freunden beim Dinner gesprochen. Man könnte also meinen, wenn man all diese Fakten summiert, dass Sie mit System zündeln, um endlich, ja endlich, eine militärische Intervention rechtfertigen zu können, morgen gegen extremistische Sunniten, übermorgen gegen wütende Schiiten und das nicht etwa zur Wiederherstellung des Friedens, sondern einzig und allein zur Festigung Ihrer geostrategischen Vormachtstellung.

Ich kann nur hoffen, Herr Präsident, dass mein Gedankenexperiment sich nicht in realitas bewahrheitet. Denn das wäre mehr als eine Schande …