Radio GaGa

Ja, ich weiß. Was Sie von diesem Blog erwarten, ist eine ordentliche Portion Systemkritik, gepaart mit linkem Gedankengut. Auch wenn Sie diese Erwartungshaltung durchaus zu Recht einnehmen, möchte ich in diesem Beitrag ausnahmsweise mal nicht ganz so politisch sein. Denn um was es mir geht, ja was mich wirklich nervt, das ist das desaströs schlechte und zuweilen schon an RTL2-Niveau grenzende Angebot unseres öffentlich-rechtlichen Rundfunks. 

Obgleich ich diesem Thema schon vor Jahren einen Artikel gewidmet habe, so muss ich, schalte ich in Anbetracht eines aufkeimenden Hoffnungsschimmers das Radio ein, doch immer wieder feststellen, dass selbiger sogleich in einer Flut von pseudo-fröhlichem, oberflächlichem verbalen Auswurf erstickt wird. Ja, ich meine damit die mittels Redaktionsplänen durchdeklinierten Themen, die den Zuhörer fast schon trickreich mit einem Sammelsurium aus privaten Erlebnissen des ansagenden Mikro-Pausenclowns und dessen bewusst polarisierenden Harmlos-Fragen bombardieren. Ganz nach den Motto Schlimmer geht’s immer ist da die Rede vom Wetter, das im Winter wider Erwarten winterlich ist, von den eigenen Kindern, von den Weihnachtsgeschenken, die man noch nicht gekauft hat und so fort. Und spätestens dann, wenn der Pausenclown mit einer Mischung aus Selbstgefälligkeit und aufgedrehtem Animateurs-Gehabe zum zehnten Mal die rethorische Frage stellt, wer denn der beste Sender im ganzen Land sei und die Antwort darauf im Bruchteil einer Sekunde mittels lautstarkem Jingle einspielt, so wird mir klar: Die wollen uns doch für dumm verkaufen. Zahle ich dafür meinen so genannten Servicebeitrag und, wenn ja, worin liegt dieser Service? 

Vielleicht in der bewussten Lähmung der Massen, in deren Betäubung durch medialen Laber-overkill in Kombination mit zwanzig Songs, die man scheinbar auf jedem Sender zu jeder Zeit hören kann. Wissen Sie, die musikalische Auswahl ist so groß, die Archive der Sender so prall gefüllt, wieso zur Hölle hat man da immer das Gefühl, dass sich das Song-Portfolio wie auf einer sehr, sehr langen Schallplatte nur alle vier Wochen mal ändert?

Es scheint, als sei es gewollt, die Zuhörer mit einem akustischem Klangkaugummi zu versorgen, der sie jeden Morgen wieder ins Auto steigen und sich im kapitalistischen Produktionsprozess verdingen lässt. Diese sind dann schon glücklich, wenn sie einem Blitzer auf Ansage entkommen, während die Ansage dafür von irgendeinem Autohaus oder einem Rolladenbaubetrieb präsentiert wird. Genau wie die Nachrichten und der Wetterbericht. 

Ups, da ist sie ja nun doch wieder, meine Systemkritik. Und wenn wir dann erkennen, dass noch immer viel zu viele Menschen diese Radiosender toll finden und deren Pausenclowns wie Stars behandeln, ja spätestens dann wird klar, warum Mutti Merkel noch immer viel zu gut bei den Wahlen abgeschnitten hat. 

So viel sei noch gesagt: Gott sei Dank, dass es noch Ausnahmen wie Deutschlandfunk-Kultur gibt.

Foto: amazon.de

Wundervoll weichgespielt: Ein Plädoyer für die Love-Songs dieser Welt

Es erstaunt mich doch immer wieder, wie sehr uns manche Musiktitel – oder cooler, denn so alt bin ich ja noch nicht: Tracks – durch das Leben begleiten. Jedenfalls geht das mir so. Nehmen wir mal den Kuschel-Rock-Evergreen von Bryan Adams „Please forgive me“. Ach ja, hat sich genau das nicht jeder von uns schon gewünscht? Noch schmalziger geht’s natürlich immer. Ich hab da noch einen Klassiker. Nazareth mit „Love hurts“. Wie ernüchternd, dass Rocker echte Gefühle haben, auch wenn wir alle wissen, dass „Love“ manchmal ganz schön „hurten“ kann, ist’s immer wieder schön, wie „beautiful“ sie ist, weil sie – oder vielmehr – „she“ – eben den „look“ hat. Roxette. Ebenso ein Garant weichgespülter Liebes-Hymnen. Nein, ich meine das nicht ironisch, im Gegenteil. Immer wenn ich „It Must have been love“ höre, dann mache ich das Autoradio ein wenig lauter – so ein kleines bisschen – und ertappe mich beim Träumen. Es muss Liebe gewesen sein, Schweigen füllte den Raum…. Wie das die gute Marie singt, ist wirklich herzzereissend schön. Kitschalarm, richtig! Aber genau davon lebt die große, weite Welt des Pop. Weil’s dabei um viel Geld geht, werden Sie sagen. Aber, und das verkennen wir gerne: Weil wir’s hören wollen.

Ob Abba, Bon Jovi, Christina Aguilera, Britney Spears oder Michael Jackson: Richtig große Hits wurden meist dann geboren, wenn sie die watteweiche ideale Liebe à la Humphrey Bogart thematisierten. Selbst der Make-up Artist und giftige Grummel-Rocker Alice Cooper startete erst mit „Poison“ so richtig durch – harte Schale, weicher Kern.

Irgendwas mit Herzschmerz, garniert mit viel Melodie und viel L.O.V.E obendrauf – fertig ist der Radio-Dauerbrenner, der den Herzschlag außer Takt und die Kasse zum klingeln bringt. Und das ist eigentlich auch gut so. Denn indem uns die zart geknüpften und sachte durchkämmten Klangteppiche umhüllen, stellen sie uns einen auditiven Schonraum zur Verarbeitung dessen bereit, was in realitas die tägliche Routine gerne verhindern würde. Zahnpasta zumachen, Mineralwasser aus dem Keller holen und Wocheneinkauf: „What’s love got to do with it?“, fragt Tina Turner. Nix, aber auch garnix!

Ergo: Auch wenn wir selbst nicht unbedingt „atemlos durch die Nacht“ hechten, sondern schon die grünen Ampelphasen morgens in der Rushhour als Höchstmaß der großen Freiheit betrachten, stiftet uns beispielsweise das Fischer’sche Hit-Prinzip zumindest genügend Identifikationspotential, um es uns vorzustellen – frei zu sein, ganz für die Liebe. In der Musik dürfen wir voll und ganz aufgehen im samtig-gefühlsduseligen Liebes-Topos, dessen Wurzeln verankert sind in unserem von Hollywood-Filmen durchsiebten Bewusstein.

Und für alle, die dann enttäuscht wurden, denn sowas soll ja vorkommen, habe ich gehört, ist dann Andrea Berg (Zielgruppe: Hausfrau, um die vierzig, 1000 mal belogen, (unglücklich) verheiratet) da – zumindest rund 3 Minuten, 20 Sekunden lang. Auch wenn die Liebe beim Schlager oft plumper daherkommt als bei Depeche Mode’s „Enjoy the Silence“: Eigentlich geht’s um Dasselbe – um das Erleben der Leidenschaft in allen ihren Farben und Formen. Denn wir alle – gucken Sie nicht so, Sie auch! – haben uns doch schon gefragt „Do you really want to hurt me?“, oder wenn’s mal ganz dicke kam „What is love?“.

Wie beschließen wir jetzt diesen Artikel? Vielleicht mit dem Hit-Zitat, dass die Liebe ein seltsames Spiel ist? Das wäre zu einfach. Nein, Sie bekommen jetzt mal was ganz Persönliches von mir. In diesem Sinne: all you need is … Sie wissen schon.

Meine drei Lieblings-Love-Songs (ich stehe wenigstens dazu!)

1. Münchener Freiheit: „Herz aus Glas“

2. Rod Stewart: „Don’t want to talk about it“

3. The Verve: „Bitter Sweet Symphony“