Arbeitskampf ja, aber …

Seit Anfang Januar gehen sie wieder auf die Straße, um ihrem Unmut mittels Warnstreiks Luft zu machen: 376.000 Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie fordern satte 6 Prozent mehr Lohn. Daneben wird eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 28 Wochenstunden angestrebt. Klar: Will man doch von den Exportüberschüssen der Exportmacht Deutschland profitieren, warum auch nicht. Dennoch zeigt die Tarifrunde der Metaller im Poker um mehr Lohn und Freizeit, dass sich innerhalb der Gewerkschaftslandschaft in Deutschland ein ungleiches Gefälle zwischen mächtigen und weniger mächtigen Arbeitnehmer-Interessenverbänden aufgetan hat. Während exportorientierte Industriezweige in regelmäßigen Abständen durch „ihre“ Gewerkschaften der Rücken gestärkt wird, liegen andere Bereich, beispielsweise der Einzelhandel oder gar die Sicherheitsbranche, weitestgehend Brach. Sie haben das monetäre Nachsehen, gehen mit deutlich weniger Erfolg aus Tarifverhandlungen heraus, ganz im Gegensatz zu den Metallern, die sich quasi alle Jahre wieder mit Pauken und Trompeten über einen netten Mehrverdienst freuen dürfen. Ja, sie hat sich also auch in der Arbeitswelt niedergeschlagen, die Klassengesellschaft, in der jene profitieren, die durch ordentliche Arbeitsverträge sicher im Arbeitssattel sitzen, während jene, die sich von Vertragsverlängerung zu Vertragsverlängerung hangeln und in alltäglicher Unsicherheit schweben, sich das nicht leisten können. Sie zählen zum Arbeiter-Prekariat, sind die Paria der Arbeitsgesellschaft, und erhalten statt Gewerkschafts-Engagement Flächentarifverträge, die gerade mal ein paar Euro über dem Mindestlohn liegen.

Soviel Ungleichheit produziert nicht nur Wut, sondern ernstzunehmende Krankheiten, ganz zu schweigen von der sozialen Stigmatisierung, der eben diese Arbeiter durch mangelnde Freizeit, wechselnde Einsatzorte und Schichtdienst, der im Sicherheitsdienst übrigens pro Schicht meist zwölf Stunden dauert, ausgesetzt sind. Da ich kein Jurist bin, kann und möchte ich nicht auf die rechtlichen Rahmenbedingungen eingehen, aber wäre es nicht sinnvoll, beim Arbeitskampf gemeinsam an einem Strang zu ziehen? Ich meine nach dem Motto „Einer für alle und alle für einen“. Sehen wir uns doch nur mal die Vielzahl der Gewerkschaften an. Sollten wir nicht unsere Kräfte bündeln und die heterogene Landschaft der Interessenverbände durch ein wirklich tragfähiges Konzept einer starken Branchen-übergreifenden Arbeitnehmer-Vertretung ersetzen, damit vom gesellschaftlichen Wohlstand wirklich alle Branchen profitieren. Letztendlich kann m. E. nur auf diese Weise in Detailfragen, beispielsweise bei der Anhebung des Mindestlohns und der Entmachtung der Zeitarbeitsfirmen, vorangetrieben werden. Zusätzlich müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie das neue Arbeitswelt-System im Zuge der zunehmenden Digitalisierung und Automatisierung aussehen muss, denn entgegen aller anderen Stimmen, werden diese Phänomene Millionen Menschen arbeitslos machen. Wer nun denkt, dass die Politik, die ja selbst der verlängerte Arm der Finanz-Eliten ist, auf diese drängenden Fragen Antworten findet oder gar langfristige Konzepte entwickelt, der irrt sich gewaltig. Denn wo Arbeitskraft freigesetzt wird, wird günstiger produziert. Sprich: Die gegenwärtige Entwicklung spielt dem System also in die Hände und seine Eliten werden alles tun, um den Status Quo zu bewahren.

Was bleibt also zu tun? Lasst euch als Arbeiterschaft nicht entsolidarisieren, sondern tretet als großes Ganzes auf. Darin liegt eure Macht begründet. Die Gesellschaft befindet sich im Umbruch und ihr könnt daran Teil haben, mitbestimmen und es erneuern, getreu dem Marxschen Credo: Proletarier alle Länder vereinigt euch!

Working poor im Wachgewerbe

ch bin seit seit langer Zeit schon Gewerkschafts-Mitglied. Soweit so gut. Allerdings habe ich nie ganz verstanden, dass gewisse Problem-Gruppen von dieser keinerlei Beachtung finden. Nehmen wir das große Feld der Sicherheitsdienst-Branche, das von Bsirske und Co. aus irgendwelchen unverfindlichen Gründen quasi in verhandlungspolitisches Niemandsland gerückt wurde. Hier waren die Positionen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern seit Jahren schon fest gefahren. Ergo: Die Beschäftigten erhielten seit Jahrzehnten den gleichen, niedrigen Stundenlohn, während die Lebenshaltungskosten exponentiell stiegen. Existentielle Nöte und die Angst vor Entlassungen prägen und prägten deren Lebenswelten, denn nicht selten arbeiten die Wachunternehmen über Jahre hinweg mit Zeitverträgen, die bei Bedarf verlängert oder beendet werden. Die meiste ihrer Lebensszeit verbringen die Wach-Sklaven übrigens auf der Arbeit: 12-Stunden-Dienste sind die Regel, tagaus, tagein. Deren Sozial- und Privatleben verdorren zu einem Beiwerk – Scheidungen, Schulden und Alkoholismus zeugen nicht selten davon. So wird die Arbeit zu einem Hamsterrad, aus dem es kaum Fluchtwege gibt: Immer weg von zu Hause und doch nur knapp oberhalb der Armutsgrenze.

Im gesellschaftlichen Bewusstsein ist nun die Arbeit derer, die uns da schützen und nachts auf die so geschätzten, wertvollen Besitztümer ein Auge werfen nicht wirklich hoch angesehen. Doch was es heißt, 12 Stunden lang regelmäßig wach zu sein und nachts seine Arbeit zu tun, dass sollte jeder im Selbstversuch erfahren.

Grundsätzlich empfinde ich es als einen Hohn, dass Menschen bei einem Stundenlohn von (im Saarland seit dem 1. Juli) 6,53 € (!) ihr Dasein mit teilweise mehr als 240 (!) Arbeitsstunden pro Monat fristen müssen, damit dann überhaupt noch was über bleibt. Hier vermisse ich das dauerhafte, gewerkschaftliche Engagement sehr und würde mir auch solidarische Bekundungen anderer Beschäftigungszweige wünschen. Nun gab es immerhin eine Lohnerhöhung. Als Erfolg kann sich VERDI das Ergebnis der Lohnverhandlungen dieses Jahres aber wohl wirklich nicht an die Fahne heften, denn diese waren dringend notwendig und kamen für viele verschuldete Beschäftigten zu spät.

Immerhin: Die Sätze steigen in allen Bundesländern in zwei Stufen zum 1. März 2012 und zum 1. Januar 2013 auf 7,50 Euro bis 8,90 Euro an. Doch die Crux folgt auf den Fuße: Viele Auftragsgeber haben bereits Entlassungen bei ihren Wachmannschaften angekündigt. Solidarität tut also Not!