Was war denn da bloß loß, Herr Kubicki? Aus Ihrem erhrlichen, wenngleich neoliberalen Munde, musste ich Worte vernehmen, die ich sonst nie und nimmer Ihrer Sprach-Attitude zugeordnet hätte. So stellten Sie fast schon subsumtionslogisch fest: Die FDP als Brand, ja als Marke habe „generell verschissen“. Ich würde noch weiter gehen: Die FDP hat sich ihrer politischen Sinnhaftigkeit beraubt und zwar, indem sie sich nicht zuletzt auf bundespolitischer Ebene völlig demontiert. Im Mai noch votierten auf dem Rostocker Parteitag 619 Abgeordnete pro Rösler – immerhin 93 Prozent. Heute sind die damaligen Röslerianer wohl schlauer. Auch wenn Rösler sich damals noch in der Rolle eines dynamisch-passionierten Mannschaftsführers sah, so muss man (und er) sich heute eingestehen, dass er es nicht geschafft hat, die Partei zu reformieren. Ob es nun der strategisch oftmals unkluge Kurs eines selbstherrlichen noch Außenministers oder letztlich Röslers eigenes zu mildes Krisenmanagement war, die dem FDP-Chef das politische Genick brachen, sei dahingestellt. Die Sehnsucht nach Struktur und politischem Halt besteht bei den Liberalen jedenfalls weiter, denn eine politische Galionsfigur ist er nicht gerade, der stille Philipp.
Mit dem Programmpunkt der neuen „bürgerlichen Mitte“ sucht er verbissen und scheinbar zunehmend hilfloser nach inhaltlichen Eckpunkten, während die Wähler diesen Selbstfindungsprozess per Votum abstrafen. Fragt sich, ob man bei den Berliner Landtagswahlen die Trias der landespolitischen Wahlniederlagen vervollständigen wird: 3 Niederlagen in 4 Monaten – das wäre fast schon Rekord. Auch die Umfragewerte in Bayern lassen die 5-Prozent-Marke scheinbar in unerreichbare Distanz rücken. Einzig in Hamburg konnte man mit 6,7 % den Einzug ins Landesparlament feiern – immerhin.
Ein Philipp Roesler tut sich jedenfalls merklich schwer in diesen Tagen und liefert nicht das, was sich potentielle Wähler seiner Partei wünschten. Vielleicht aber, offenbart die politische Odysee auch weit mehr: Könnte es nicht sein, dass die FDP, die jahrelang eine sogenannte Klientel-Partei war und noch ist – nach und nach ihren politischen Nährboden verliert? Immerhin waren es die großen Steuersenkungsversprechen, die großen Mittelstandsentlastungen, die man sich von den Liberalen versprochen hatte. Diese Versprechen wurden gebrochen, die Wählerschaft desillusioniert. Die Koalition mit dem ehemaligen Wunschpartner CDU brachte der sich selbst so dynamisch einschätzenden Partei den hausgemachten Macht- und Imageverlust ein. Auf großem Regierungsbankett bewegte man sich unbeholfen und zuweilen provinziell.
Damals – noch vor der Bundestagswahl – auf dem Hannoverschen Parteitag warb ein kämpferischer Guido Westerwelle für eine gemeinsame Koalition mit der CDU und verteufelte nebenbei die Abwrackprämie als ein Denkmal gescheiterter Politik. Schon diese Polemik im Kleinen bewies dem geneigten Zuhörer, dass man sich in der FDP schon da wohl nicht ganz über die eigene potentielle Wählerschaft bewusst war: Die deutschen Autohersteller dürften über Westerwelles Urteil jedenfalls nicht gerade sehr erfreut gewesen sein, spülte die Geld-für-Schrott-Prämie doch endlich wieder Geld in deren „klammen Kassen“ – und zwar alleine bei BMW rund anderthalb mal soviel, wie man ursprünglich erwartet hatte.
Zum bundespolitischen Wahlgewinner 2009 wurde die FDP jedoch nicht durch eigenes Zutun, weitmehr hatte sie die 14 plus einem Umstand zu verdanken, der eigentlich ihrem eigenen Verstädnis eines freien, liberalen Marktes geschuldet war: Die Wirtschaftskrise rollte wie eine neurotische Lawine über das Land hinweg und trieb einige Menschen, die das Wahlprogramm der FDP wohl nicht gelesen hatten, in deren offene liberalen Arme. Übrigens: In ihrem konzeptionellen Grundwerk, dem FDP-Wahlprogramm, hätte man sie schon damals lesen können, die wirtschaftlichen Zielsetzungen der FDP: So hatte man auf dem 60. ordentlichen Parteitag mal wieder ordentlich dagegen gewettert, dass die Bundesregierung aus einem falschen Verständnis umfassender Staatsfürsorge heraus (…) immer mehr Aufgaben [übernimmt], die ihr nicht zukommen, und sich im Etatismus des Interventionsstaates [verstrickt]. Kurz: In der Zeit, in der die freien Märkte ihre Radikalität und zerstörerische Macht eindrucksvoll unter Beweis stellten, mahnte die FDP zu noch weiterer Zurückhaltung. Ganz nach liberalem Laisser-Faire-Prinzip würden sich die Märkte schon selber irgendwie regulieren, irgendwo, irgendwann… Umso unverständlicher wird aus meiner Sicht das damalige Glanz-Ergebnis bei den Bundestagswahlen.
Vielleicht, ja vielleicht, sind die damaligen Wähler nun endlich aufgewacht aus ihrer Schockstarre und haben verstanden, dass mit einem solchen um Selbstdefinition bemühten Verein wie dem der FDP, kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist. Was der Partei droht, ist ihre Auflösung und politische Pulverisierung – daran können auch Alt-Liberale wie Brüderle und Niebel wenig ändern. Und da sind wir wieder bei Herrn Kubicki und können ihm nur zustimmen, denn in der Tat: Für die FDP sieht es generell beschissen aus.