Zur Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels. Ein offener Brief an Donald Trump

Was die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels seitens der USA bedeutet, ist unklar. In einem offenen Brief an Donald Trump skizziere ich ein paar Gedanken über seine möglichen Motive, die Geschichte des Nahen Ostens und wo dieses Spiel mit dem Feuer hinführen könnte.

Sehr geehrter Donald Trump, sehr geehrter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika,

vielleicht war die Entscheidung Jerusalem als die Hauptstadt Israels anzuerkennen, einer Ihrer viel kritisierten spontanen Reaktionen geschuldet, für die Sie so bekannt sind. Vielleicht hat sie aber auch mit einem weitaus schlimmeren Motiv zu tun, namentlich Ihrer Tendenz, die Geschehnisse im Nahen Osten zu generalisieren und sich dabei über die Folgen, die ein solches Signal mit sich bringen könnte, nicht bewusst zu sein. Oder, was die schlimmste aller anzunehmenden Motivationen wäre: Sie sind sich sehr wohl darüber im Klaren.

Was Sie auch immer, Herr Trump, dazu bewogen haben mag: Erneut haben Sie sich als Drittstaat in eine Debatte eingemischt und Stellung bezogen. Bedenklich ist dieser, Ihr Entschluss, vor allem deswegen, weil damit erneut ein Drittstaat, namentlich der mächtigste der Welt, in die Geschehnisse eines Landes bzw. einer Landpartie eingreift, die sich in ihrer jüngsten Geschichte immer schon der Gunst oder Missgunst dritter ausgesetzt sah.

Als damals Großbritannien vor ziemlich genau einhundert Jahren mit der Belfour-Deklaration den Grundstein für die Entstehung eines zionistischen Staates legte, und im jüdischen Volk jene nationalistischen Umtriebe schürte, die heute in einer omnipotenten Allmachtphantasie der israelischen Regierung gipfeln, hätte man das Desaster kommen sehen müssen. Manifestiert hat sich der Wille zur Expansion der Israelis schließlich 1967 im Sechs-Tage-Krieg, der die Besetzung der Golanhöhen nach sich zog, obwohl sie territorial zu Syrien gehören. Dieser Zustand hält bis heute an, wohl auch deshalb, weil dieser Landstich Israel einen Großteil seines Trinkwassers liefert.

Auch im Westjordanland und insbesondere im Gazastreifen, einem kargen Randgebiet, das hauptsächlich aus Dünen besteht, tritt die Großmacht Israel mit martialischer Präsenz auf, unterdrückt, unterjocht und tötet diejenigen, denen dieses Land ursprünglich gehörte.

Nun kennen Sie bereits sicherlich all diese Fakten und können daraus wohl ableiten, warum die radikal-palästinensische Hamas entsprechend auf diese Intervention der Besatzer antwortet. Auch wenn ich das keineswegs befürworte, erinnere ich Sie an die einfache, wenn auch wahre Gleichung, wonach Gewalt bekanntlich Gegengewalt erzeugt.

Vielleicht ist aber die Anerkennung Jerusalems als die Hauptstadt Israels nichts weiter als ein kluger, geostrategischer Schachzug, der, mit Verlaub, gar nicht von Ihnen, sondern von ihren Militärs respektive Thinktanks ersonnen wurde. Denn, anders als Ihre Vorgänger, haben Sie (noch) keinen echten Krieg geführt, abgesehen von den paar Tomahawk-Raketen, die Sie auf Syrien abfeuerten. Das zählt aber nicht. Immerhin kannten Sie damals den Unterschied zwischen Syrien und dem Irak nicht einmal. Vergeben und vergessen.

Schaut man sich jedoch die Entwicklungen im Nahen Osten näher an, so könnte man, entschuldigen Sie mir dieses Gedankenexperiment, auf die infame Idee kommen, dass Sie sich bedroht fühlen. Nein, nicht bedroht im eigentlichen Sinne, vielmehr wenn es um die Sicherstellung dessen geht, was für Ihr Land, really, really, wichtig ist: das Öl. Könnte es nicht sein, dass es Ihnen zu schaffen macht, dass der Iran und damit auch die schiitische Hisbollah, sein Hoheitsgebiet sukzessive erweitert und damit Ihre Rohstoffversorgung gefärdet? Erinnern Sie sich an das libanesische Staatsoberhaupt Saad Hariri, das erst vor ein paar Wochen zu den Saudis floh? Nun ist Hariri wieder zurück, doch hat nichts mehr zu sagen, außer „ja“ zum Iran. Dieser wiederum hat den Zwangsurlaub Hariris am Golf sinnvoll genutzt, um unter Michel Aoun eine Marionettenregierung Irans zu etablieren. Der böse Iran. Wie gerne hätten Sie dessen Atomprogramm auf Eis gelegt, wie gerne hätten Sie, Donald, aus ihm einen weiteren Verbündeten bzw. eine neue Tankstelle der USA gemacht. Fazit: Außer Spesen, nix gewesen. Nun stehen die Mullahs quasi schon vor der israelischen Haustür.

Nun gut, in dieser Sache waren Sie also machtlos. Doch jetzt, jetzt haben Sie es zumindest den anderen, den Sunniten, mal so richtig gezeigt … Denken Sie, Herr Präsident! Denn mit Ihrer Entscheidung haben Sie Jerusalem endgültig zur „Sin City“ in Middle-East gemacht. Warum? Hier meine Antwort: Grundsätzlich werden Sie den extremistischen Sunniten, also insbesondere ISIS und Co. damit jenen sprichwörtlichen Sprengstoff liefern, den sie zum zündeln und bomben brauchen, denn mit Ihrem Entschluss rückt eine Zweistaaten-Lösung wieder in weite Ferne. Sicher, die Geschäfte mit der Regierung Netanjahu wird das zunächst ankurbeln. Doch zu welchem Preis? Wieder fühlen sich Araber in ihrem Nationalismus bestärkt, fühlen sie sich von Menschen aus dem Westen bevormundet und verraten. Ob sich die Geister, die Sie riefen, auch in einem Terror-Echo innerhalb Ihres so geliebten Heimatlandes entladen werden, bleibt abzuwarten. Aber vielleicht, Herr Trump, sind Sie ja auch bereit, diesen Preis, tatsächlich zu zahlen, zugunsten einer arabischen Revolte, die vielleicht, ja vielleicht, sogar einer militärischen Intervention Ihrerseits bedarf.

So würden Sie jedenfalls mehr als zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die US-Wirtschaft käme in Schwung, Sie könnten Ihre Vormachtstellung und Ihre Rohstoffhoheit festigen und hätten endlich einen Kriegsschauplatz, dessen unterirdische Ressourcen es Wert sind, junge Marines in den Tod fürs Vaterland zu schicken.

Nun ist es durchaus interessant zu sehen, dass sich die Saudis, mit denen Sie ja liebend gerne Geschäfte machen, gegen Ihre Anerkennung Jerusalems aussprachen. Vielleicht ist all das aber nur Symbolpolitik des Hauses Saud, genauer des neuen starken Mannes am Golf, Prinz Mohammed bin Salman. Denn fest steht, die Monarchie der Sauds braucht seit dem schwachen Kurs des Petro-Dollars neue, gewinnbringende Geschäftsfelder. Aber wahrscheinlich haben Sie darüber schon längst mit Ihren Freunden beim Dinner gesprochen. Man könnte also meinen, wenn man all diese Fakten summiert, dass Sie mit System zündeln, um endlich, ja endlich, eine militärische Intervention rechtfertigen zu können, morgen gegen extremistische Sunniten, übermorgen gegen wütende Schiiten und das nicht etwa zur Wiederherstellung des Friedens, sondern einzig und allein zur Festigung Ihrer geostrategischen Vormachtstellung.

Ich kann nur hoffen, Herr Präsident, dass mein Gedankenexperiment sich nicht in realitas bewahrheitet. Denn das wäre mehr als eine Schande …

Autor: Andreas Altmeyer

Autor, Friedensaktivist

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