Das Facebook-Dilemma

Was haben sich die Zeiten doch geändert. Wenn Sie sich so manch ältere TV-Sendung auf einem der zahlreichen Sparten-Kanäle anschauen, wird das offensichtlich. Als ich vor kurzem die Sendung „Formel Eins“ noch einmal vor meinen Augen vorbeirauschen sah, wurde mir wieder bewusst, wie schnell die Zeit doch voranschreitet und was sich seit dem Datum der Ausstrahlung so alles getan hat. Damals war es der Kalte Krieg, der allgegenwärtig das gesellschaftliche Bewusstsein prägte und es herrschte – für uns Kinder war das Gott sei Dank kaum spürbar – ein politisches Klima des Misstrauens und der Ablehnung. Die Supermächte Russland und USA ließen sich gerade noch dazu hinreißen, über den heißen Draht miteinander zu kommunizieren. Hätten Herr Reagan und der ein oder andere Kreml-Chef ein Facebook-Konto gehabt, vielleicht wäre da so Manches einfacher gewesen. Man stelle sich das nur mal vor: Mr. Ronald Reagan „added“ Herrn Gorbatschow zu seiner Freundesliste, verpasst dessen gerade gepostetem Kommentar über den Fortschritt von „Glasnost“ ein fettes „Like“ und gründet schließlich die Gruppe „Supermächte unter sich“…

Ach ja: Die Konflikte der Welt über ein Facebook-Profil zu lösen, das wäre wohl auch der Traum eines Mr. „Ich-trage-exemplarisch-nur-T-Shirts“, Mark Zuckerberg, gewesen. Alles hätte so schön sein können: An der Börse, so war es in den Zuckerbergschen Visionen jedenfalls fest vorgesehen, sollte die Kapitalisierung des Online-Unternehmens eine Milliarden-Dividende in die Gesichts-, ach nein, Geschichts-Bücher spülen. Doch was dann passierte, trieb nicht nur Zuckerberg den Schrecken in die Glieder, sondern auch dessen Aktionären Tränen in die Augen: Das Wertpapier rutschte binnen weniger Tage tief in den Keller der New Yorker Börse. Auch U2-Sänger und Ganztags-Weltverbesserer Bono dürfte sich darüber wohl kaum gefreut haben – denn der Posten als reichster Musiker der Welt bleibt somit nämlich beim Alt-Beatle McCartney. Aber hätte man das Facebook-Dilemma nicht erahnen können? War es nicht abzusehen?

Ich meine: Ja, das war es. Was Facebook von anderen Unternehmen schon grundlegend unterscheidet, ist, dass das Online-Portal als solches nichts, aber auch gar nichts, produziert. Es stellt lediglich eine Nutzoberfläche und die zur Aufrechterhaltung des Dienstes notwendigen Server-Strukturen zur Verfügung. That’s it. Die Idee der globalen Vernetzung ist dabei zwar schön und gut, aber auch die Konkurrenz schläft ja bekanntlich nicht. Ein wirklicher USP fehlt – bis auf den „Like-Button“ vielleicht. Und vergessen wir nicht: Auf dem deutschen Markt ist uns das Phänomen des Social-Network-Flopps schon längst bekannt. Spätestens als Holtzbrinck die VZ-Kanäle an sich riss, brachen deren Userzahlen ein. Heute hat die Verlagsgruppe Probleme, die Communities wieder loszuwerden. Auch die RTL-Vermarkter-Tochter IP hat sich mit dem Kauf von WKW, Wer-Kennt-Wen, nicht wirklich einen Gefallen getan. Sicher: Noch kann Facebook von den Verlusten der anderen Netzwerke profitieren, noch gilt es als „Must“, dort ein Profil zu besitzen. Aber gerade in jüngster Zeit wandelt sich das Bild des Konzerns im öffentlichen Bewusstsein zusehends: Ständige Veränderungen an der Nutzeroberfläche, undurchsichtige Datenschutz-Richtlinien und nicht zuletzt die zunehmende Kommerzialisierung des Netzwerks durch Werbeschaltungen bewegen viele Nutzer dazu, sich wieder aus dem „Gesichter-Buch“ auszutragen, auch wenn ihre Daten in den Server-Tiefen des Unternehmens wahrscheinlich für immer verloren sind. Facebook gilt nicht zuletzt aufgrund dieser Praktiken als Datenkrake, als eine Art Sekte, die mit allen Mitteln versucht, die Weltherrschaft zu erringen. Und sind wir mal ehrlich: Zuckerbergs Auftreten und sein Narzissmus, der sich vor allem in dem Glauben daran äußert, dass sein Netzwerk es ist, in dem wir alle unser Leben peinlich genau darlegen (müssen), sind es, die diesen Gedanken gar nicht mal als so abwegig erscheinen lassen. Im Übrigen lässt auch die Werbe-Branche keine Gelegenheit aus, um zu betonen, wie wichtig ein Facebook-Aufritt für das Unternehmens-Portfolio sei und dass jeder, der dort nicht vertreten ist, besser gleich den Insolvenz-Verwalter bestelle… Ironischerweise ist es genau die Institutionalisierung des Facebook-Phänomens, die letztlich ganz schnell dazu führen kann, dass der Run auf das Netzwerk nachlässt.

Grundlegend wird die Idee des Sozialen Netzwerks, des sich Findens und sich Verbindens, wohl bestehen bleiben, aber sie wird wahrscheinlich zukünftig um einiges transparenter: Datenschutz-Richtlinien müssen entsprechend aufgeweicht werden, die Dienste, wie auch immer sie schließlich heißen mögen, werden sich zunehmend über ihren Mehrwert definieren müssen und weniger über ihren Selbstzweck. Wie dieser Mehrwert letztlich aussehen mag, das steht noch in den Sternen. Doch sind für mich zwei wesentliche Merkmale entscheidend: Zukünftige Soziale Plattformen müssen dem Prinzip der Medienkonvergenz stärker Rechnung tragen und auch dem Bedürfnis nach mobiler Kommunikation. Sollte Facebook entscheidende Trends verschlafen, wird das einigen Shareholdern wohl kaum wirklich gefallen. Vielleicht hat sich Herr Zuckerberg auch deswegen noch nicht zur Einführung eines „Dislike-Buttons“ hinreißen lassen…

Autor: Andreas Altmeyer

Autor, Friedensaktivist

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