Warum Hipster eigentlich uncool sind

Wir leben in einer Zeit der Dauerbespaßung, in einer Zeit des Um-sich-selbst-Drehens und des Auf-sich-selbst-Beziehens. Der Gipfel dieses Egozentrimus mündet in einem Kunstbegriff, in einer Kategorisierung, die dem Glauben an Kommerz, dem dinglichen Besitz, dem Amüsement und der Ästhetik des Momentums huldigt und dabei jegliches gesamtgesellschaftliche Interesse verliert: dem sogenannten „Hipster“. Hipster, das sind Marken-affine, frisch-rasierte und Sneaker-tragende Menschen, die sich meist jünger fühlen, als sie es biologisch sind. Sie quetschen sich in schlacksige Designer-Shirts, tragen Brillen aus handgemachten Holzgestellen und finden Foodfestivals und Open-Airs auch um die vierzig noch sowas von hipp.

Drei Tage im Schlamm zelten, dazu Dosenbier trinken und irgendeine Punkband sehen, die längst nicht mehr Punk, sondern Mainstream ist? Für den Hipster von heute ist genau das kein Poblem, denn, unabhängig vom Happening, wird bei ihm alles zum Event.

Auch Terroranschläge können einen solchen entpolitirisierten Menschen natürlich nicht beeindrucken. Er fliegt weiterhin ans Mittelmeer und geht auf Konzertbesuche. Auch wenn es ihm vermeintlich nur darum geht, auf seinen freiheitlichen Werten zu beharren: Der Hipster hat keine politische Gesinnung. Ihm ist es also völlig einerlei, ob in Istambul oder in Hamburg eine Bombe hoch geht. Passieren, so sagt er, könne das ja schließlich überall. Ja, so spricht einer, für den Amüsement längst Teil seiner Persönlichkeit ist, der die Befriedigung seines Bedürfnisses über alles andere stellt und der einfach nicht mehr verzichten kann.

Er, der konsumfreudige Festangestellte, geht dahin, wo die Massen sind. Denn das Leben ist ein großes Spiel, bei dem man sich Konzerte, Urlaube, ja: die nötige Entspannung, eben einfach verdient hat. Und Entspannung, die erlangt man nur dann,wenn man was erlebt und das verdiente Geld für Flüge oder Konzerttickets ausgibt. So weit, so gut. Lassen Sie ihnen doch ihren Spaß, werden Sie sagen. Ganz so einfach ist es nicht. Denn die Welt ist kompliziert geworden. Sicher, vielleicht ist das Wegfahren, Hingehen und „Abgehen“ eine menschliche Tendenz zur Verdrängung, vielleicht ging es uns ja auch noch nie so gut wie heute. Vielleicht ist das aber alles eine Illusion. Denn der Hipster, so cool er sich auch fühlen mag, ist das Ergebnis unserer kapitalistischen Gesellschaft. Er ist das Produkt derer, die ihn erschaffen haben, das kleinste Glied einer Generation, die keinen Hunger kennt, die konsumiert ohne darüber nachzudenken eben weil sie darauf konditioniert wurde, die sich Bärte wachsen lässt, im Bio-Markt um die Ecke einkauft, sich über Rabatte freut und damit eines aus den Augen verliert: die eigene Mündigkeit selbst. Wo Life zu Style wird, gehen tiefere, sinngebende Ideale verloren und münden in eine oberflächliche Ich-will-alles-und-zwar-gleich Mentalität. Ich will in Urlaub? Also fliege ich! Ich will auf ein Konzert? Dann her mit den Tickets. So verliert sich der Hipster in seinem hedonitischen Drehen um sich selbst, wird zur unruhigen Seele, die nur in den pseudo-melancholischen Songtexten à la Phillipp Poisel und Anne-May-Kantereit zeitweise Erlösung findet, denn diese drehen sich, wie das Leben des Hipsters, ums eigene Ich. Doch das Ich des Hipsters nährt seinen Egozentrismus durch materiellen Besitz und Konsum. Folglich wird die Quelle dessen, was diesen Konsum überhaupt erst ermöglicht, zum wichtigsten Gut im Leben erhoben: die Arbeit, die Quelle des persönlichen Wohlstands, die nie versiegen darf. Wohlgemerkt: Der Hipster sieht die Arbeit nicht als emanzpatorische Chance, sondern nutzt sie als Mittel, seinen Lebensstil finanzieren zu können.

Und wenn diese Quelle materiellen Wohlstands versiegt, und der der Hipster mit den gesellschaftlichen Realitäten Mindestlohn, Arbeitsmarkt und Leiharbeit konfontiert wird, platzt die Blase vom synthetischen Glück auf Raten und er verfällt in eine tiefe Depression, die selbst Herr Poisel nicht mehr zu lindern vermag.

Aus makro-gesellschaftlicher Sicht haben sich die Herrschenden mit dem „Hipster“ jenen devoten Typus von Mensch geschaffen, den es braucht, um weiter zu herrschen. Ja, genießt ihr nur Brot und Spiele, pilgert zum nächsten Festival, konsumiert eifrig und grinst dabei auf Facebook debil in die Handy-Cam. Brot und Spiele, das Rezept hat ja auch damals schon im Römischen Reich funktioniert. Zumindest bis es unterging.

Autor: Andreas Altmeyer

Autor, Friedensaktivist

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