Starke LINKE, wo bist Du?

Wenn Oskar Lafontaine in den vergangenen Tagen lautstark proklamiert, eine neue linke Bewegung tue Not, so zeigt dies zweierlei. Einerseits, dass die Partei DIE LINKE in Deutschland ihr Ziel nicht erreicht, und sogar andererseits ihren eigenen thematischen Kern zusehends selbst zersetzt hat. So weit, so schlecht. Denn eine starke Linke bedürfte es im derzeitigen, von Großkonzernen gesteuerten und von nationalistischen Tendenzen geprägten Europa so sehr wie nie zuvor.

Nein, es ist nicht die AfD, die die Wähler zur Abwanderung aus dem linken Gedankenraum hin zu einer faschistoiden Kultur des Konservatismus treibt. Denn die AfD mit all ihren Befindlichkeiten und ihrer an Diletantismus kaum zu überbietenden Hybris ist nichts weiter als ein Symptom, vergleichbar mit einem Geschwür, das nicht nur die CDU, sondern gerade die Parteien, die ihre Agenda jenseits von Begriffshülsen wie die der Obergrenze formulieren, sorgsam genährt haben.

Was hätten diese Bundestagswahlen nicht alles bewirken können, liebe Genossen, ja, wenn man das, was man wollte, auch angepackt, dem Wähler ernst gemeint kommuniziert und begreifbar gemacht hätte. Einen schwächeren Gegner als die CDU mit ihrem inhaltsleeren Wahlkampf, der all sein Streben auf eine müde und noch dazu wirklichkeitsfremde Kanzlerin fokussierte, kann man sich kaum vorstellen. Auch Martin Schulz, dem, so scheint es jedenfalls, niemand auch nur ansatzweise sein heuchlerisches pseudo-linkes Geplapper abgekauft hat, hätte für DIE LINKE ein stimmenbringender Faktor werden können. Hätte, hätte, Fahrradkette. 9 Prozent waren es am Ende.

Schade nur, dass selbst ein so couragierter Polit-Profi wie Sahra Waagenknecht sich damit zufrieden gab. Ja Sahra, die LINKE ist eine Nischenpartei, so viel ist sicher. Doch schaue ich mich im Netz um, so gedeiht dort allerorts auch linkes Gedankengut und man wird den Verdacht nicht los: Es gibt sie noch zu Genüge, die Zielgruppe der DIE LINKE-Wähler! Wenn Chomsky via Video-Chat auf activismMunich zugeschaltet wird, sich ein Dr. Daniele Ganser über die geopolitischen Schachzüge der USA auslässt und Ken Jebsen gegen die Air Base in Rammstein wettert, sind sie da, beteiligen sich an unserer Bewegung und zeigen auch jenseits von Youtube, in real, Engagement, beispielsweise in der Friedensbewegung.

Doch was macht DIE LINKE, mal abgesehen von Oskar Lafontaine, der sich auch jenseits der Mainstream-Medien äußert? Sie zerfleischt sich selbst im unnötigen Grabenkampf Kipping vs. Waagenknecht und agiert damit so, wie sie es den machtversessenen Einheitsparteien immer verübelt hat, nämlich nach einer zutiefst kapitalistischen Doktrin, die sich lediglich um die Bewahrung des innerparteilichen Status Quo dreht. Was bei alledem auf der Strecke bleibt, sind die Interessen potentieller Wähler und das Wesentliche: echte Oppositionsarbeit, die sich drängenden Sujets annehmen sollte. Derer gibt es genügend: die Wiederaufrüstung Europas, das allgegenwärtige Russland-Bashing, die brodelnde Situation im Nahen Osten, namentlich in Syrien, im Libanon und besonders im Jemen, die heuchlerische Haltung der Bundesregierung gegenüber den USA und vieles andere.

Was DIE LINKE benötigt, ist also vielmehr ein Gesicht, das weniger blass und deutlich bunter ist, das sich den Medien selber stellt, vielleicht einen eigenen Youtube-Kanal publiziert, vielleicht einen Blog, und eine noch stärkere Haltung des Dagegen-sein-aus-gutem-Grund entwickelt! Warum ist es denn nicht DIE LINKE, die die Machenschaften unserer Regierung und deren gnadenlosen Amerikanismus entlarvt, und zwar nicht oberflächlich und systemkonform bei Maischberger und Co., sondern mittels eines eigenen Formats, das die Wähler anspricht und Möglichkeiten zum Austausch bietet? Ja, unser marxistisch-kommunistisches Vokabular, unser gedanklicher Unterbau sind „super“, aber was nutzt das bitteschön, wenn es versäumt wird, das Old-School-Vokabular mit ein wenig aktuellem Zeitgeist anzureichern und es durch den Web 4.0-Mixer zu drehen? Denn das Narrativ von DIE LINKE sollte sich nicht in ihrer Geschichte erschöpfen. Kurz: Die LINKE braucht gutes Marketing und noch bessere Inhalte. Dass es in schwierigen Zeit notwendig ist, die eigene Geschichte loszulassen (hierin liegt übrigens ein deutlicher Unterschied der DIE LINKE zur AfD), wusste auch schon unser guter Karl M., den ich zum Abschluss meines Plädoyers natürlich zitiere:


„Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen. Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden. Und wenn sie eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neuen Weltgeschichtsszene aufzuführen.“

Autor: Andreas Altmeyer

Autor, Friedensaktivist

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