Linken-Parteitag: Wagenknecht vs. Kipping

Die Debatte in DIE LINKE tobt: Arbeitsmigration begrenzen, ja oder nein? Dabei ist dieser Streit richtig und wichtig, denn in einer konformistischen Politlandschaft, in der „die Mitte“ zur bedeutungsentleerten Metapher für „weder das eine, noch das andere“ geworden ist, wird Profil zunehmend zum Alleinstellungsmerkmal.

Der Dissens zwischen Wagenknecht und Kipping respektive Lafontaine und Riexinger macht gleichwohl eines deutlich: Für den Wähler wird es immer schwieriger, bei diesen Grabenkämpfen eine politisch einheitliche Gesinnung auszumachen. Das spiegelte sich auch auf dem Parteitag der LINKEN, bei dem selbst der altgediente Parteirecke Gregor Gysi Stellung bezog und sich für den Kipping-Kurs aussprach. Seine Rede macht das Dilemma der Linkspartei sicht- und hörbar: Rhetorisch wie immer brillant, wahr im Sinne einer dogmatischen (Marxistischen) Bestandsaufnahme und dennoch weit ab von der Dialektik der Gegenwart. Richtig ist, dass eine Partei um Gottes Willen ihre Überzeugungen nicht aufgeben darf, wenn sie im Bezug auf die Wählergunst unbequem werden – GRÜNE und SPD können davon ein Liedchen singen.

Richtig ist aber auch, dass Politik ihre Daseinsberechtigung nur aus dem populus, dem Volk, schöpft. Erkennt sie gegenwärtige Verhältnisse nicht an, verklärt sie sie vielleicht sogar, so regiert sie an den Sorgen von Menschen vorbei und wird letztlich zu einem zahnlosen Tiger. Die von Kipping und Gysi gemeinte Internationalisierung ist genau so ein verklärter Idealtyp. Beide Politiker vernachlässigen, dass sich die echte Internationalisierung noch immer in den Grenzen einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung vollzieht. Internationalisierung im gegenwärtigen Kontext meint leider immer noch den „Import“ von günstigen Arbeitskräften zulasten von anderen Arbeitskräften, die Verlagerung von Produktionsstätten an günstige Standorte, den Ausbau der prekären Arbeitsverhältnisse und so fort. Semantisch gesehen meint sie eben nicht die von ihnen beschworene solidarische Empathie gegenüber der weltweiten Menschheitsfamilie.

Ergo: Nur wenn man für die Begrenzung von Arbeitsmigration ist, hat das nichts mit der Aufgabe von linken Basiswerten zu tun. Es bedeutet auch keineswegs automatisch zu einer Art „AfD light“ zu werden. Anders als diese, kann man nämlich solidarisch gegenüber den Benachteiligten dieser Welt sein und für eben die Werte eintreten, die für die linke Sache charakteristisch sind.

Der von Sahra Wagenknecht eingeschlagene Kurs ist richtig, weil er die LINKE tendenziell aus ihrer Sackgasse der überholten Dogmen herauszuführen vermag. Allein der ideologische Kern der Partei scheint das nicht zu verstehen, und in einer Art Ego-Falle aus gefährlichen semantischen Fallstricken festzustecken. Das schwächt die Linke Sache im Ganzen.

Dabei wäre es so nötig, sich zu emanzipieren und sich nicht in den Traumwelten einer veralteten Ideengeschichte zu verlieren. Das Kipping-Lager täte gut daran, aus dem Elfenbeinturm der Theoriegebilde in die Welt zu treten – das hat nichts mit links oder rechts zu tun, sondern mit Weltoffenheit.

Autor: Andreas Altmeyer

Autor, Friedensaktivist