Nun ist es also doch „us Annegret“ geworden, wie es im saarländischen Dialekt heißt. Damit hat sich die alt gediente Parteisoldatin durchgesetzt, nicht der millionenschwere Lobbyist, Blackrock-Frontman und Freizeitflieger Friedrich Merz und erst recht nicht Mr. Fettnäpfchen himself, Jens Spahn. Aber eigentlich ist das kein Wunder. Denn die Brillenträgerin aus dem saarländischen Püttlingen, deren Namenskürzel genau so schnittig daherkommt wie ihre Kurzhaarfrise, steht für all das, was die CDU in der Ära Merkel aus- und vor allem schwachgemacht hat: ein gesellschaftspolitisches „Weiter so“ verbunden mit der Wahrung einer konservativen Agenda, ganz gleich mit welchen Mitteln und zu welchem Preis.
Ob nun Kramp-Karrenbauer, Spahn oder gar Merz auf der Partei-Brücke stehen oder jemand ganz anderes, ist eigentlich einerlei: Denn der Kurs der „MS Demokratie“ steht längst fest und die sogenannten Parteispitzen agieren auf dieser Irrfahrt gen Untergang ohnehin nur noch als Marionetten des Großkapitals.
Ausdünnung des Sozialstaates, Privatisierung und kapitalistische Umverteilung von unten nach oben sind die gnadenlosen Ziele dieses Fahrplans, zu dessen Erfüllungsgehilfen sich die Kartellparteien gemacht haben. Auch Kramp-Karrenbauer lässt keinen Zweifel daran, für wen sie zukünftig Partei bezieht. Die gegen die Ehe-für-alle wetternde Mutter von vier Kindern, deren Mann sich aufgrund ihres üppigen Politikerinnen-Gehalts um Kind und Kegel kümmern kann, will die Wehrpflicht wiederbeleben, setzt auf pro-amerikanische Bündnistreue und führt damit, wie sollte es anders sein, den neoliberalen Crashkurs fort, den ihre Amtskollegen der letzten 30 Jahre als Marschrichtung vorgaben. All die generösen Parteitag-Finanzierer können sich durch sie also auch in Zukunft über bomben Gewinne freuen. Denn wer für die Wehrpflicht eintritt, der wehrt sich nun mal mit Händen und Füßen gegen Abrüstung und Frieden.
Derweil schlagen die konservativen Feuilletonisten schon verbale Salti, um AKK als potentielle Kanzlerkandidat zu proklammieren. Doch die AKK-K-Frage ist trotz des Fühungswechsels bei der Union noch offen. Gott sei Dank! Denn erstens sicherte sich Kramp-Karrenbauer lediglich eine hauchdünne Mehrheit und zweitens sollte man seit dem entgleisten Schulz-Zug die Irrungen und Wirrungen kennen, in die ein gedopter Kanzler-Kandidat, respektive: eine zu hoch gepushte Kanzler-Kandidatin, eine Partei zu geleiten vermag.
Allein, man hat sich bei der CDU noch nicht eingestanden, dass es in Zeiten schwindender Mehrheiten eben mehr bedurft hätte als einer Merkel-Ziehtochter mit Landpomeranzen-Charme, stattdessen umfassender Konzepte von A wie Artificial Intelligence bis Z wie Zuwanderung. Doch Veränderung, Aufbegehren des Volkes und echte Kritikfähigkeit scheinen von den Damen und Herren Diätenbeziehern so weit weg wie das Internet vom hintersten Winkel Meck’Pomms. Ihnen geht es um nichts weniger als den Erhalt des Status Quo. Und so träumen sie weiter und fristen ihr Dasein in den berufspolitischen Echokammern weit ab von Vernunft und Volk. Wer braucht das schon zum Regieren.
Dass das Gelbwesten-Regiment beispielsweise auch in Deutschland aufmaschieren könnte, ja sowas kann man im Konrad-Adenauer-Haus gut verdrängen. Dass gesellschaftliche Verwerfungen nicht mehr einfach so passiv hingenommen werden, sondern dass sich Menschen solidarisieren, sowas auch.
Dabei ist es offensichtlch, dass der Zorn der Menschen sich langsam entlädt, auch hier in Deutschland. Der Wutbürger als Prototyp fehlgeleiteter Unzufriedenheit ist eines der daraus entstandenen Symptome. Er sympathisiert mit dem politischen Rand, weil die politische „Mitte“ zu einem nichtssagenden Synonym für „weder das eine, noch das andere“, aber auch für das Kapital, den Lobbyismus und die soziale Ungerechtigkeit geworden ist.
Ob sich jene Saarländer darüber Gedanken machen, die sich gerade im lokalpatriotischen Taumel verlieren? Fest steht, der Sieg AKKs ist kein Sieg für die Menschen. Denn sie werden von ihrer Politik nicht profitieren. Es ist die Belohnung einer strategischen Machtpolitikerin, die, wie ihre Vorgänger auch, zur richtigen Zeit am richtigen Ort war: nämlich im Machtvakuum einer obsoleten Partei, die nichts, aber auch gar nichts an ihrer konzeptionellen Ausrichtung ändern möchte.
Einem schwarzen Loch gleich, hält die schwarze CDU an ihrem Willen zum Machterhalt fest und zieht dieses Mal AKK ins Zentrum. Doch schwarze Löcher sind ja bekanntlich nicht sehr wählerisch, aber immer sehr gefräßig, bevor sie sich in Luft auflösen …