Und es war doch Betrug, lieber Herr zu Guttenberg…

Nun gut – der Zeitpunkt, an dem Herr KTzG dem liberalen Wochenblatt DIE ZEIT ein seitenlanges Interview gegeben hatte, war wohl wirklich nicht der beste. Aus kommerziellen Gründen datierte man die Niederschrift des Gespräches zwischen dem ehemaligen Verteidigungsminister und Giovanni di Lorenzo in der Wochenzeitung auf diesen vorweihnachtlichen Zeitpunkt – immerhin erscheint das gesamte Wortgewusel in einem Buch, was den im „Dossier“ der ZEIT abgedruckten Teil des Dialogs zu einem groß angelegten Werbeteaser degradiert…

Nun hätte ich erwartet, dass Herr zu Guttenberg die Zeit in seinem Exil zu einer distanzierten, reflektierten Selbstbetrachtung genutzt hat. Immerhin galt er einst als Hoffnungsträger der konservativen – immer noch aristokratie-affinen – Mittelschicht, die viel an die politische Inszinierung und wenig an politische Inhalte glaubt… Was sich Herr zu Guttenberg jedoch bei seiner Rückbetrachtung zurechtspinnt, hat mit einem großen Eingetändnis und einer Katharsis nicht wirklich viel zu tun. Vielmehr verliert sich der einstige politische Klassen-Primus der CSU im Klein-Klein seiner, aus geklauten Text-Fragmenten zusammengeflickten Doktorarbeit. Ja, er habe den Überblick verloren, ja, er sei überfordert gewesen, aber nein, bewusst habe er niemals täuschen wollen… Nun handelt es sich hier aber insgesamt um nicht weniger als 1218 Plagiatsfragmente aus 135 Quellen auf 371 von 393 Seiten – kein Pappenstiel also. Und Fußnoten schlichtweg zu vergessen – wenn auch die Autoren, auf die sich die jeweiligen Textstellen beziehen oder von denen sie stammen, im Nachhinein im Literaturverzeichnis aufgeführt sind – ist keine simple, wissenschaftliche Kleinigkeit.

Vielmehr lernt man schon in den ersten Semestern die korrekten Zitations-Weisen anzuwenden, mit Fußnoten umzugehen, ein Literatur-Verzechnis aufzusetzen und was es mit Fomulierungen wie a.a.O. und ebd. auf sich hat. Von der simplen Hausarbeit angefangen bis hin zur Diplom-Arbeit werden den Studenten die Notwendigkeit und die Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens eingebläut. Das wiederum hat natürlich seinen Sinn, geht es doch um nichts Anderes als darum, das geistige Eigentum der Autoren und Autorinnen zu schützen und die Grenzen zwischen Selbst- und Fremderkenntnis zu ziehen. Gerade eine Doktorarbeit lebt im Übrigen von dieser Unterscheidung, da nur so ihr Wert bemessen werden kann.

Nun hat Herr zu Guttenberg die Maßstäbe des wissenschaftlichen Arbeitens nicht wirklich verinnerlicht, hat keinen akademischen Habitus ausgebildet und spricht immer wieder davon, nicht bewusst getäuscht zu haben. Wenn das so gewesen sein sollte, lässt mich dieser Sachverhalt nur zu einem Schluss kommen: Ein Mann, dem wissenschaftliche Grundprinzipien und das geistige Eigentum anderer so gleichgültig, dessen Doktorarbeit folglich so stümperhaft aufgesetzt und dessen narzistischer Selbstdarstellungs-Drang so groß ist, hat in der Landschaft der deutschen Politik nichts mehr verloren. Denn keine andere akademische Leistung spiegelt mehr ein Stück beruflicher und (normalerweise) persönlich erarbeiteter Identität, wie eine Doktorarbeit. Um deren Privilegien jedoch genießen zu dürfen, bedarf es der Sorgfalt sowie dem Blick, und vor Allem, der Liebe für das fachliche Detail. Guttenberg kam all das, und auch die Einsicht in die Begrenzheit der eigenen Mittel, abhanden.

Karl Theodor zu Guttenberg hat sich mit diesem Interview endgültig zu einer persönlichen Mogel-Packung degradiert, der Werte wie Echtheit, Empathie und Ehrlichkleit nur insoweit wichtig sind, wie sie der eigenen Darstellung dienen. Wenn wir bei rot über die Ampel fahren, müssen wir damit rechnen, dafür bestraft zu werden. So ist das nunmal. Es gilt der alte, aber sinnvolle Grundsatz: „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.“