Heute ist Welt-Aids-Tag und ich selber musste mir eingestehen, dass ich die globale Existenz dieser Krankheit ganz weit in mein Unterbewusstes, um nicht zu sagen in mein Unbewusstes, verdrängt hatte. Erst die mediale Aufbereitung und die dramatischen Bilder aus Afrika und Osteuropa riefen mir sie überhaupt erst wieder in Erinnerung – was sicherlich einerseits für die menschliche Fähigkeit des Verdrängens, andererseits aber auch für eine gewisse Doppelmoral unserer Gesellschaft spricht… Bei so manchen Gala-Empfängen geben sich die sogenannten Prominenten und jene, die sich dafür halten, nun wieder die Charity-Klinke in die Hand, das AIDS-Schleifchen darf da natürlich – kameragerecht angesteckt – auch nicht fehlen.
Spenden ist sicherlich schön und gut – bedenklich ist allerdings das mediale Desinteresse für die Krankheit und ihre eigentlich schlimmsten Verbreitungsgebiete die restlichen 364 Tage im Jahr. In Deutschland leben „gerade mal“ rund 73 000 HIV-Infizierte. Eine deutlich drastischere Sprache sprechen die Zahlen allerdings in Afrika. Dort, im Gebiet südlich der Sahara, waren schon im Jahr 2007 22 Millionen Menschen mit dem HI-Virus infiziert, was einen Anteil von 67 Prozent aller an den mit dem HI-Virus infizierten Menschen entspricht. Eine unvorstellbar hohe Zahl, auch wenn man sich vergegenwärtigt, dass eben, anders als hierzulande, im Gebiet der Subsahara keine geeigneten Medikamente zur Verfügung stehen, um das Ausbrechen von Aids zu verhindern und das Leben der HIV-Träger in die Länge zu ziehen. Folglich ist die Lebenserwartung in einigen afrikanischen Regionen um bis zu 10 Jahre gesunken. Pharma-Firmen lassen sich in den betroffenen Gebieten nicht sehen, da für sie hier keine Profite zu erwarten sind. Gleiches gilt im Übrigen für viele Gebiete Osteuropas und Asiens (im Jahr 2005 1,6 Millionen Infizierte, 270 000 Neuinfizierte und 62 000 Todesfälle im Jahr 2004).
Sicher: Ein großes Problem ist immer noch die zumindest partiell fehlende Aufklärung, die gesellschaftliche Tabuisierung der Sexualität und der Krankheit. Die Wurzeln des Problems liegen jedoch in der Verteilung der Güter: Wo Medizin noch immer ein Privileg der Reichen und Mächtigen ist und Verhütungsmittel nur schlecht oder garnicht zu bekommen sind, da wird wieder einmal mehr deutlich, wie wenig eine gute medizinsische Versorgung mit dem Eid des Hippokrates, und wie viel mit den Profit-Interessen großer Pharma-Kartelle zu tun hat.
Während wir also – imprägniert mit Aspirakulix – in einem pharmazeutischen Überangebot schwimmen, müssen in anderen Gebieten dieser Welt täglich Menschen sterben – weil schon so etwas Gewöhnliches wie Verhütungsmittel für sie völlig unerschwinglich ist. Die Erkenntnis ist zwar nicht neu, aber ist es wert, sie sich wieder einmal bewusst zu machen und zwar nicht nur an einem solchen Tag wie dem heutigen…