Der große Weltenbrannt. Dieses Synonym für die Zerstörungswut von Menschenhand fand zuletzt im ersten Weltkrieg Verwendung und scheint doch aktueller den je. Der Terror drangsaliert die Welt und konfrontiert sie mit einem drastischen, aber wahren Faktum: Absolute Sicherheit kann und wird es niemals geben. Vorgestern Paris, gestern Orlando, heute Nizza und übermorgen vielleicht eine Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen: Das Böse kann überall sein, denn die Physiognomie des Terrors hat sich verändert. War es noch im September 2001 ein ganzes Netzwerk, das die grausamen New Yorker Anschläge in einem komplizierten Prozedere planen und durchführen musste, ist die Vorgehensweise heutzutage simpler, aber um so effektiver geworden. Da wird selbst ein Lkw zur Waffe, wenn er nur von einer verlorenen Seele gesteuert wird, die dazu bereit ist, Allah zu begegnen. Unlängst forderte der IS-Sprecher Abu Mohammad al-Adnani seine Anhänger dazu auf, statt Waffengewalt Low-Tecc-Methoden beim Töten Ungläubiger anzuwenden: „Zerschmettert seinen Kopf mit einem Stein, überfahrt ihn mit einem Auto, (…) erstickt oder vergiftet ihn“, schreibt er. Doch was bedeutet es für unser Leben und unseren Alltag, wenn der Terror zu einem allgegenwärtigen Phänomen wird?
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Permanente pseudo-betroffene Beileidsbekundungen und das Tauschen des Profilbilds bei Facebook und Twitter reichen nicht mehr aus. Wir werden uns damit abfinden und darauf reagieren müssen, dass Deutschland kein isolierter Schutzraum ist, kein Eldorado des Friedens, um das herum die Welt zerbricht. Trotz aller Vernetztheit und allen Wohlstands werden wir uns auch damit abfinden müssen, uns vorsichtiger, gar weniger, in der Welt zu bewegen. Im Zeitalter der Pauschalflüge, in der eine Taxifahrt oft teuerer ist als ein Kurztripp nach Venedig, schrumpfen Distanzen, werden sie egalisiert. Das verführt dazu, Orte als reine Sightsseing-Ziele wahrzunehmen – ungeachtet politischer Krisen oder gesellschaftlicher Veränderungen, die sich dort vollziehen. Nein, es geht mir nicht darum, dass wir uns einschränken lassen. Vielmehr sind Achtsamkeit und ein sensibles Gespür geboten – weg von der „Ich will da jetzt aber unbedingt hinfahren“-Mentalität. Was uns das bringt? Vielleicht nur ein Gefühl der subjektiven Sicherheit. Aber manchmal mag das schon helfen.
Doch auch in Deutschland selbst gilt es, gewisse Entscheidungen genauer zu überdenken. Durch die Zusammenarbeit mit der Präsidial-Diktatur Erdogans, der Implementierung des griechischen Spardiktats und der Hinarbeit auf das neo-liberale Freihandelsabkommen mit den USA treiben wir eben jene kapitalistische Doktrin voran, die andere Menschen in Not und Existenzängste stürzt. Zuallerest setzen wir unsere machtpolitischen und wirtschaftlichen Interessen durch. Auch die neutrale (und überaus peinliche) Haltung der EU zu den Herrschaftsansprüchen Chinas im Südchinesischen Meer sind dafür ein Bespiel. Das wiederum polarisiert und treibt jene in die Arme relegiöser Demagogen, die den postmodernen Kampf um Status, Anerkennung und gesellschaftliche Teilhabe längst verloren haben. Terror wird so zu einer unendlichen Geschichte, die die westlichen Gesellschaften selbst geschrieben haben.
511 Gefährder mit islamistischem Background sind der deutschen Polizei zurzeit bekannt, 270 davon sind Dschihad-Rückkehrer. Der schwarze Rauch des Weltenbrands zieht auf.