Agrar-Imperialismus in Äthiopien

Es gibt auf dem großen afrikanischen Kontinent vergessene Länder: Äthiopien, in seinem Nordosten gelegen, ist eines von ihnen. Dort, wo einst der moderne Mensch, so wie wir ihn kennen, geboren und enkulturisiert wurde, manifestiert sich heute die kapitalistische Doktrin auf eine besonders perfide und menschenverachtende Art und Weise.

Zur Erinnerung: Äthiopien rangiert beim Index der menschlichen Entwicklung auf Platz 174 von insgesamt 188 bewerteten Ländern. Gleichzeitig ist das jährliche Bevölkerungswachstum von 2,5 bis 3,0 Prozent eines der höchsten der Welt. Im Jahr 2040 wird die Gesamtbevölkerung des Landes auf 136 Millionen Menschen angewachsen sein. Seit Jahrzehnten wird Äthiopien, dessen Norden noch zur Sahelzone zählt, von Dürren und Hungersnöten geplagt. Die zunehmende Dessertifikation trägt ihren Teil dazu bei.

Doch statt die Region nachhaltig mit Hilfe westlicher Bündnispartner zu stärken, wird immer mehr wertvolles Ackerland an ausländische Investoren verkauft. Während 31 Prozent der Bevölkerung Äthiopiens akut von Hungersnöten betroffen sind, kauft Saudi-Arabien riesige Landstriche auf, denn das Königreich am Golf von Aden wächst und wächst. So investierte die Saudische Al-Rahji International for Investment Cooporation (RAII) in Äthiopien ganze 2,5 Mrd. US-Dollar. Doch was bedeutet ein solch imperialistisches Verhalten? Was zunächst wie eine wertige Finanzspritze daherkommt, entpuppt sich schnell als Trugbild mit Folgen. So verschachert Äthiopien – gefolgt von anderen Ländern am Horn von Afrika – seine wertvollste Ressource: fruchtbares Ackerland, um sich damit zusehends abhängig von dem Wohlwollen anderer Länder zu machen. Zusätzlich gehen die territorialen Besitzansprüche verloren, Folgekosten entstehen.

So werden nicht nur die ehemals ansässigen Bewohner aus den angestammten Gebieten vertrieben, was wiederum Flüchtlingswellen nach sich zieht. Weit wichtiger: Durch diese Form der kapitalistischen Landes-Annexion werden moderne Formen der Sklaverei geschaffen, die die Länder der sogenannten Dritten Welt (ich mag diesen Begriff keineswegs) über Jahrzehnte zurückwirft. Und das Schlimmste: Da immer weniger fruchtbares Land zur Verfügung steht, von dessen Ertrag jedoch immer mehr Menschen überleben müssen, werden seitens der Äthiopischen Regierung weitere Hungertote billigend in Kauf genommen.

Daneben werden innerpolitische Konflikte befeuert und Bürgerkriege heraufbeschworen, die im Vielvölkerstaat Äthiopien einen dankbaren Nährboden finden.

Die Taktik der Saudis, andere Länder auszubeuten, um das eigene Überleben zu sichern, zeigt, wie wenig sich in der Praxis die Machtverhältnisse verschoben haben. Ja, man fühlt sich unweigerlich erinnert an die Tage der East India Company, wenn diese nun auch unter neuer Flagge agiert.

Abstrahiert man jedoch die in Äthiopien stattfindenden Ereignisse, so zeigen sie eines: Wo sich autoritäre machtpolitische Strukturen bilden, die lediglich dem Eigennutz dienen, findet ein auf Ressourcen ausgerichteter Kapitalismus dankbare Verbündete. Nun haben die Saudis der Äthiopischen Regierung ihre Pläne ja nicht unbedingt aufgezwungen, doch sorgen eben die ungleichen monetären machtpolitischen Verhältnisse zwischen dem armen Nehmer- und dem reichen Geberland dafür, dass humane Interessen zugunsten einer parasitären Wirtschaftspolitik zurückgestellt werden. Ja, es ist ein Teufelskreis, aus dem Äthiopien so schnell nicht herauskommt. Wie auch? Mit einer gewaltsamen Entmachtung der Zentralregierung, mittels Blauhelmen? Die sind immerhin nah, im benachbarten Sudan (ihr Einsatz wurde durch unsere geschäftsführende Bundesregierung vorerst bis März 2018 verlängert).

Nein, was es wirklich bedurft hätte, um die zentralafrikanischen Länder zu stärken, wäre eine aufbauende Wirtschaftshilfe seitens des Westens, die sie fördert und zur Hilfe zur Selbsthilfe befähigt. Doch in Zeiten wachsender Rüstungshaushalte hat man solchen „Experimenten der Menschlichkeit“ endgültig eine Absage erteilt, nach dem Motto: „Fluchtursachen bekämpfen? Nein, danke!“

FOTO: Sputnik (c)

Autor: Andreas Altmeyer

Autor, Friedensaktivist

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