Generation „Happy!“

Nein, ich will nicht in den verklärenden Sumpf des „Die Jugend von heute“ abtauchen. Auch liegt es mir fern, diese Jugend von heute einer generellen Kritik zu unterziehen. Denn wenn ich mir die Generation zwischen fünfzehn und zwanzig betrachte, so sehe ich größtenteils aufgeklärte Menschen. Nun schwingt wohl schon in diesem Satz ein kleines „aber“ mit. Denn was mir an eben dieser Peer Group, an dieser Generation der Alles-Könner und Alles-Erreicher auffällt, ist ein partieller Verlust von Kritikfähigkeit. Wie schon der Existenzphilosoph Martin Buber feststelle, ist ja alles Leben Begegnung. Und jene jungen Leuten, denen ich begegne, fällt es zunehmend schwer, mit ernstgemeinter, sogenannter konstruktiver Kritik umzugehen. Richtig: Sie stellen Fragen: Warum ist das so und so? Warum verhält sich das nicht anders? Doch die Motivation für diese Fragen speist sich weit weniger aus einer Kritik am Sachverhalt oder an dessen normativen Beschränkungen als aus einer Bewältigungsstrategie für die subjektiv erfahrene Kränkung. Diese zu erfahren und dazu noch mit ihr umzugehen, fällt jungen Menschen zunehmend schwer. Nun sind die Gründe dafür weit komplizierter auszumachen als die Phänomene, die jene nach sich ziehen.

Eine Ursache sehe ich persönlich in der Interaktion zwischen Erzieher und Zögling, in deren Setting versucht wird, das System von Allzeit-Belohnung zu etablieren, und jenes der Sanktionierung zu vermeiden. Dazu kommt ein fehlgeleiteter Diskurs in der Interaktion zwischen Eltern und Kind, in dessen Rahmen alles und jedes ausdiskutiert wird, bei gleichzeitiger immanenter empathischer Anteilnahme seitens der Erziehungsberechtigten. Es scheint, als habe die Generation der heute Mitvierziger all jene Kränkungen, welche ihnen Ihre Eltern angedeihen ließen, in einem weichgespülten Erziehungs-Protektorat kompensiert. Gleichzeitig sind es jene Mitvierziger, die als Kind meist in materiellem Überfluss lebten, keinen Krieg und Hunger oder sonstige existentielle Nöte kannten und somit weitestgehend systemkonform daherkommen. Wer nun aber als Kind den Konformismus der Welt sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen hat, der gibt jenen auch an seine Kinder weiter. So kommt es, dass wir in Zeiten leben, in denen die radikale Privatheit, der Hedonismus des einzelnen, zur Religion erhoben wird, was in einem blinden Konsumismus gipfelt. Dieser bezieht sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche, alles wird konsumierbar, aufkündbar, sobald es kein individuelles Glücksmoment mehr verschafft, angefangen bei Beziehungen bis hin zu ArbeitsverhältnissenDas Konzept des unverbindlichen Glücks unerbittlich und um jeden Preis zu verfolgen, ist somit das ureigenste Ziele der jungen Leute. Dabei erliegen sie dem Irrglauben, sie hätten dieses Glück verdient, nur um ihrer selbst willen. Der Glücksoverkill soll dabei am besten 24 Stunden am Tag dauern.

Beziehung soll glücklich machen. Arbeit soll glücklich machen. Konsum soll glücklich machen. Und man mag schon fragen, welche Leere durch die Glücklich-Seins-Inflation überwunden werden muss, nur um sich der illusorischen Allmachtsphantasie des „What you see is what you get“ hinzugeben.

Vorbei die Zeiten, in denen die Stones feststellten, that „you cant’t always get what you want„. Unsere Kinder wissen, dass sie alles kriegen können, mehr noch: dass sie alles kriegen werden, dank der Hochglanz-Verheißungen im Prime-Time-TV, dank Sozialer Medien, die eigentlich unsozial sind, dank einer Pseudo-Realität und dem Faschismus der Verblendung.

So wird, ganz wie bei Instagram, für jeden Bedarf der passende Filter auf das Leben gelegt, mit dem Ziel, möglichst gut dabei auszusehen. Hauptsache glücklich.

Problematisch wird das Konzept des individuellen Glücks, das im quasi-uterinen Schutzraum des Elternhauses wurzelt, wenn es auf Gemeinschaft trifft. Denn dort entstehen, gerade in funktionellen Gruppen, Prozesse des Erleidens (Alfred Schütze et. al.), wenn es um Restrinktionen und um Empathie dem anderen gegenüber geht. Diese Prozesse werden umso mehr als zerstörerisch erlebt, als dass eine adäquate Strategie für sie nie gelernt und eingeübt werden konnte. Innerpsychisch bietet jener Sturz in eine Krise hinein genügend Nährboden für neurotische Konfliktverarbeitungen (Mentzos et. al.), die im Spannungsfeld zwischen egozentrischer Kindeswahrnehmung und gesellschaftlich erwarteten Normen zu finden sind.

Es bedarf der sprichwörtlichen Enttäuschung, um aus einem „Ich bin der Mittelpunkt der Welt“ ein „Wir“ werden zu lassen, das in der Lage ist, hinter die Fassade der mittels Kleinkrediten finanzierten Bling-Bling-Welt zu blicken und die Realität anzuerkennen. Nur auf diese Weise, durch eine sukzessive Sensibilisierung durch die Sozialisationsinstanzen, kann m. E. ein emanzipatorisches Potential entfaltet werden. Dazu gehören Lob, Empathie, aber auch das Aufzeigen und die Akzeptanz der eigenen Grenzen.

Wer echte Mündigkeit will, muss erkennen, dass Glück nicht für alle und jeden zu jeder Zeit zu haben ist. Es ist brüchig, näher als wir ahnen und weiter weg als wir wollen. Wer ihm um jeden Preis nachjagt, der wird es kaum bekommen, wer es sucht, wird es nicht finden. Und wer es als Selbstverständlichkeit betrachtet, wird erkennen, dass es alles andere als das ist!

Autor: Andreas Altmeyer

Autor, Friedensaktivist

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