Es erstaunt mich doch immer wieder, wie sehr uns manche Musiktitel – oder cooler, denn so alt bin ich ja noch nicht: Tracks – durch das Leben begleiten. Jedenfalls geht das mir so. Nehmen wir mal den Kuschel-Rock-Evergreen von Bryan Adams „Please forgive me“. Ach ja, hat sich genau das nicht jeder von uns schon gewünscht? Noch schmalziger geht’s natürlich immer. Ich hab da noch einen Klassiker. Nazareth mit „Love hurts“. Wie ernüchternd, dass Rocker echte Gefühle haben, auch wenn wir alle wissen, dass „Love“ manchmal ganz schön „hurten“ kann, ist’s immer wieder schön, wie „beautiful“ sie ist, weil sie – oder vielmehr – „she“ – eben den „look“ hat. Roxette. Ebenso ein Garant weichgespülter Liebes-Hymnen. Nein, ich meine das nicht ironisch, im Gegenteil. Immer wenn ich „It Must have been love“ höre, dann mache ich das Autoradio ein wenig lauter – so ein kleines bisschen – und ertappe mich beim Träumen. Es muss Liebe gewesen sein, Schweigen füllte den Raum…. Wie das die gute Marie singt, ist wirklich herzzereissend schön. Kitschalarm, richtig! Aber genau davon lebt die große, weite Welt des Pop. Weil’s dabei um viel Geld geht, werden Sie sagen. Aber, und das verkennen wir gerne: Weil wir’s hören wollen.
Ob Abba, Bon Jovi, Christina Aguilera, Britney Spears oder Michael Jackson: Richtig große Hits wurden meist dann geboren, wenn sie die watteweiche ideale Liebe à la Humphrey Bogart thematisierten. Selbst der Make-up Artist und giftige Grummel-Rocker Alice Cooper startete erst mit „Poison“ so richtig durch – harte Schale, weicher Kern.
Irgendwas mit Herzschmerz, garniert mit viel Melodie und viel L.O.V.E obendrauf – fertig ist der Radio-Dauerbrenner, der den Herzschlag außer Takt und die Kasse zum klingeln bringt. Und das ist eigentlich auch gut so. Denn indem uns die zart geknüpften und sachte durchkämmten Klangteppiche umhüllen, stellen sie uns einen auditiven Schonraum zur Verarbeitung dessen bereit, was in realitas die tägliche Routine gerne verhindern würde. Zahnpasta zumachen, Mineralwasser aus dem Keller holen und Wocheneinkauf: „What’s love got to do with it?“, fragt Tina Turner. Nix, aber auch garnix!
Ergo: Auch wenn wir selbst nicht unbedingt „atemlos durch die Nacht“ hechten, sondern schon die grünen Ampelphasen morgens in der Rushhour als Höchstmaß der großen Freiheit betrachten, stiftet uns beispielsweise das Fischer’sche Hit-Prinzip zumindest genügend Identifikationspotential, um es uns vorzustellen – frei zu sein, ganz für die Liebe. In der Musik dürfen wir voll und ganz aufgehen im samtig-gefühlsduseligen Liebes-Topos, dessen Wurzeln verankert sind in unserem von Hollywood-Filmen durchsiebten Bewusstein.
Und für alle, die dann enttäuscht wurden, denn sowas soll ja vorkommen, habe ich gehört, ist dann Andrea Berg (Zielgruppe: Hausfrau, um die vierzig, 1000 mal belogen, (unglücklich) verheiratet) da – zumindest rund 3 Minuten, 20 Sekunden lang. Auch wenn die Liebe beim Schlager oft plumper daherkommt als bei Depeche Mode’s „Enjoy the Silence“: Eigentlich geht’s um Dasselbe – um das Erleben der Leidenschaft in allen ihren Farben und Formen. Denn wir alle – gucken Sie nicht so, Sie auch! – haben uns doch schon gefragt „Do you really want to hurt me?“, oder wenn’s mal ganz dicke kam „What is love?“.
Wie beschließen wir jetzt diesen Artikel? Vielleicht mit dem Hit-Zitat, dass die Liebe ein seltsames Spiel ist? Das wäre zu einfach. Nein, Sie bekommen jetzt mal was ganz Persönliches von mir. In diesem Sinne: all you need is … Sie wissen schon.
Meine drei Lieblings-Love-Songs (ich stehe wenigstens dazu!)
1. Münchener Freiheit: „Herz aus Glas“
2. Rod Stewart: „Don’t want to talk about it“
3. The Verve: „Bitter Sweet Symphony“