Wenn ich ein Wort schon jetzt nicht mehr hören kann, dann die Floskel „ergebnisoffen“. Denn dieses leere Sprachetikett zeigt inhaltlich lediglich, wie sehr sich die deutsche Sprache biegen und brechen lässt. Was hier suggeriert werden soll, ist die Existenz eines Entscheidungsraums, den man seitens SPD-Führung garnicht erst betreten wollte. Mehr noch, der Verhandlungsprozess zwischen Schulz und Merkel war und ist so wenig ergebnisoffen, dass man ihm mit einem neuen Begriff, der aus einer Management-Schulung stammen könnte, versuchte, ein flexibleres Image zu verleihen. Ergebnisoffen, diese Vokabel verströmt den Duft von Aktivität, genau so, als wenn die SPD ob ihres dramatischen Wahlverlustes überhaupt eine andere Möglichkeit als das GroKo-Double gehabt hätte, zumindest wenn sie an der Macht bleiben will. Und ja, das will sie doch so sehr.
Wissen Sie, sollten nicht alle Gespräche, sollte nicht jeglicher Diskurs innerhalb einer Demokratie ergebnisoffen sein? Sollte nicht jedes Parteienbündnis zunächst seine inhaltlichen Schnittmengen prüfen und erst danach eine politische Liaison eingehen, ganz ergebnisoffen eben?
Nur dann, wenn diese Grundfesten erschüttert werden, dann werden solche neuen Sprachmonster geboren. Im Casus SPD erblickte das Wort ergebnisoffen das Licht der Welt, nachdem Schulz, entgegen seiner ursprünglichen Aussage von der GroKo-Absage, eine erneute GroKo mit der schwarzen Seite der Macht in Erwägung zog. Beispiele dieser sprachlichen Wrong Friends gibt es viele: Freihandelsabkommen, die alles andere als den freien Handel regeln, der Neoliberalismus, dessen Ziel der Machterhalt weniger Eliten und nicht die Freiheit bzw. die Liberalität der Vielen ist und so fort. Die Funktion dieser Schablonen ist einzig und allein die systematische Verschleierung den diesen Wörtern innewohnenden wahren Motiven.
Im Falle des Martin Schulz wird dessen Verschleierungstaktik übrigens auch ohne Sprachkrücken besonders deutlich. Nicht nur, dass dieser einstige EU-Aristokrat einen miserablen Wahlkampf hinlegte, der ihn eigentlich den Parteivorsitz hätte kosten müssen, nein: Er verkaufte seine Wählerschaft für dumm, in dem er vorgab, sich für jene soziale Gerechtigkeit einzusetzen, deren Basis er und seine Genossen erst aufgeweicht hatten. Mehr noch: Martin Schulz und die gesamte Führungsriege der SPD logen, als sie am Wahlabend kategorisch ein Schwarz-Rotes-Bündnis ausschlossen.
Aber gut: Wie bitteschön hätte die Oppositionsarbeit der SPD auch ausgesehen, wo sie ihr quasi-parasitäres Dasein ohne die CDU doch garnicht mehr fristen kann? Der Schritt zur GroKo lag da näher, denn so flieht man zumindest für die nächsten vier Jahre vor der schmerzenden Wahrheit, dass die SPD aufgrund ihrer Profillosogkeit längst unnötig geworden ist.
Einzig die Jusos rebellieren verhalten. Doch wenn diese erst einmal den süßen Nektar der Macht gekostet, und sich mit dem System arrangiert haben, dann werden sich auch deren utopische Träume zwischen den Stühlen von Ministerposten und Dienstwagen auflösen.
Ergebnisoffen, so viel ist sicher, ist der Schritt zum GroKöchen nicht. Es geht um die strategische Sicherung der machtpolitischen Zukunft einer Partei, die einst für die Interessen des kleinen Mannes eingetreten war. Diese Motive hat sie nicht nur aufgegeben, sondern verraten. Martin Schulz wird also doch in die Geschichte eingehen, nicht als Kanzler, vielmehr als der Totengräber einer der ehemals größten Volkspartei Deutschlands.